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otis
Die Kosmische Musik, so sollte sie vermarktet werden, traf damals sehr den Nerv der Zeit und wurde recht gut verkauft, zumindest war sie für die Interessierten überall präsent, und schon 5, 6 Jahre später eifrig (und teuer) gesammelt. Und nicht wenig war sie Ausdruck eines gewissen nationalen Rock-Stolzes, was mich von Beginn an daran nervte.
Ich lese hier weiterhin interessiert mit, gerade auch die Beiträge von z.B. Otis. Ich kann als Nachgeborener natürlich nichts zum damaligen Ablauf in der Realität der Hörer beitragen, gerade das weckt immer mein Interesse.
Zum „nationalen Rock-Stolz“ – sicher ein Aspekt in der Wahrnehmung, auch heute noch gern genommene Eröffnung für Artikel über Krautrock, wenn auch immer anders formuliert. Was das Phänomen u.a. ausmachte dürfte doch der Fakt gewesen sein, dass deutsche Musiker und Bands immer nur hinterher rannten, ohne je wirklich was Eigenes zu schaffen. Schreibt hier gern eure Meinung dazu, aber mir kommt es so vor, als sei das bis heute kaum überwunden. Peinlich und unwahrscheinlich verbreitet in den 60ern der Deutsche Beat, dann Deutscher Blues, Deutscher Hip Hop usw. usf., nach wie vor werden große Vorbilder zitiert, verändert und entwickelt, aber kaum Originäres geschaffen.
Natürlich muss man hier sofort einbringen, dass es in der Pop/Rockmusik und vermutlich in Musik generell kaum möglich ist, ohne Zitate und Einflüsse überhaupt etwas Neues zu schaffen. Gerade hier sprießt das Kraut im Krautrock aber auf. Die Verschmelzung der damals neuen elektronischen Klangerzeuger mit der Auflösung bekannter Songstrukturen UND dem Einzug in populäre Wahrnehmung außerhalb von „E-Musik“ ging auf das Konto deutscher Pioniere.
Ich kann zum Thema „E-Musik“, elektronischen Sounds ab den 40ern und 50ern, deren Verbreitung an Musikhochschulen oder versteckten Sinuskurven-Spezialisten nichts beitragen, auch zu Stockhausen kaum. Auch heute noch ist das für mich abgehobene Theorie, deren Einfluss ich aber nie absprechen würde und absolut akzeptiere. Pioniere waren auf jeden Fall im Kleinen viele und im Großen solche wie Tangerine Dream und Kraftwerk. Damit gab es die, wie Otis auch schrieb, „erste deutsche Welle“, wohl die erste international relevante popmusikalische Kraft, die zu großen Teilen ihren Ursprung in deutschen Musikern hatte. Das macht einen Teil von „Krautrock“ aus, ganz klar. Wie sehr das manchen Leuten etwas bedeutet, sei dahin gestellt. Mir entfacht das keinen besonderen Stolz, eher Interesse an den verschiedenen Varianten von Herkunft und Herangehensweisen.
In meinen Augen gab es in der Geschichte der Popmusik insgesamt sehr wenig Strömungen, die halbwegs originär und originell aus Deutschland mitbestimmt wurden. Spontan würde ich sagen: Erstens Krautrock, zweitens einige frühe und mittelfrühe Heavy Metal Dinger. War es da der wagnerianische Faktor? Das wars dann auch so ziemlich. Das schreibe ich aber ohne Groll, vielleicht ist unser Land einfach kein großer Schoß des Pop? Woher er kommt, ist mir letztlich ziemlich egal.
Zum Thema an sich: Ich habe immer noch nicht die zweite Cosmic Jokers wiedergehört, und jetzt hab ich mir noch „Zeit“ von Tangerine Dream besorgt, das ich nie hatte. Beide werde ich hier noch mal rückmelden.