Re: "Krautrock" und seine Verwandten

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otis
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TosheyCan haben ihre erste Platte sicher nicht grundlos privat aufgelegt. Wenn das Klima so toll gewesen wäre, wäre das sicher nicht notwendig gewesen.
Ich hätte eigentlich schreiben müssen: Es gab überhaupt keine Popkultur.
Es gab Schlagermusik. Musik, die von den Erwachsenen gemacht und lanciert wurde. Man hatte doch gar keine Wahl. Hätte es nicht Vorfälle wie den Monks-Urknall gegeben (der ja ganz offensichtlich auch Faust auf den Weg brachte), was hätte man denn sonst wählen können? Heintje? Mmmh…,
Und ich bin mir sicher, dass hierzulande tendenziell genausowenig Kraut- als auch Monks Platten gekauft wurden. Insider werden die Zeichen der Zeit wohl erkannt haben, aber ganz sicher nicht die breite Masse.

Stockhausen darf nicht arrogant sein, Zappa darf es, und der Mani darf es absolut nicht… hmmmh… ich bin´s ein bißchen: Sind alles nur Menschen.
Wenn einer meint er sei was besseres als jemand anderes—Kritisch! ;-)

Ich denke, du missverstehst die 60s und ihre Szene in D tüchtig. Wir haben doch keine Schlager gehört und die Jugend hat keine Schlager gemacht. Es gab weit mehr Bands in D als es sie jemals wieder gegeben hat, aus diversen Gründen. Die meisten waren im internationalen Maßstab schlecht (der allerdings damals hoch). Aber hier von Musik zu sprechen, die Erwachsenen lanciert gewesen wäre, stimmt einfach nicht. Manche Firmen veröffentlichten auf Teufel komm raus, was sie unter die Finger bekommen konnten. Dass viele Studios und ihre Techniker (auch die Musiker) oft genug mit der Musik überfordert waren, mag ja stimmen. Aber Mitte bis Ende der 60s war eine unglaublich freigeistige Zeit für die aufgeweckte Jugend und auch für die Musiker.
Natürlich mussten die sich erst einmal den Kredit erspielen. Was ist daran so schlimm, dass Can ihre 1. LP privat veröffentlichten. Es spricht doch weder für noch gegen diese Zeit. Und dass einige Band damals übersehen wurden, die heute hoch gelobt werden, das ist doch völlig normal, das gibt es im UK und in den Staaten genauso. Die Bedeutung der Monks in diesem Zusammenhang ist völlig überschätzt. Zum einen waren sie früher, zum anderen waren sie Amerikaner. Die Monks-Renaissance begann m.W. erst gegen Ende der 70s.
(Natürlich bin ich keiner, der der musikalischen Technik den Vorrang vor der Kreativität und Musikalität gibt, diese hat übrigens nicht per se etwas mit Handwerk zu tun. Mit solchem habe ich oben auch nicht argumentiert.)
Was Sam zu Kaiser gesagt hat, ist sicher richtig. Andererseits hat der Mann einen solchen Wirbel verursacht, dass die neue dt. Musik bis in die bürgerlichen Feuilletons hinein drang.

Noch etwas zu Stockhausen. Ich kannte ihn vom Namen her (auch ein wenig mit Musik unterlegt ) aus meiner Schulzeit. Vielleicht hatte ich eine gute Schule, aber ich kann mich nicht erinnern, sonderlich Schlechtes oder Anfeindungen gegen ihn in meinem Umfeld gehört oder gelesen zu haben. Als ich 71 zum Studium nach Köln kam, war er schlichtweg ein Star. Er inszenierte sich gern arrogant als Unverstandener.
Wenn man den Stone-Artikel liest, erahnt man warum. Stockhausens Musik lebte von ihrer Neuartigkeit, ob in den 50s oder in den 60s. In seiner besten Zeit hat er immer wieder Neues geschaffen, sich kaum wiederholt. Und genau das liest sich doch in dem Artikel. Er klopft Musik daraufhin ab, ob es dieses oder jenes schon gegeben hat, inwieweit es spannend neu ist, und dann ist Schluss. Er hatte keinerlei Verständnis für Pop als solchen und für die muskalische Eindimensionalität von Pop/Rock. Gönnerhaft lässt er sich herab, darüber zu reden.
Es mag ja sein, dass er in Sausalito einige Funken der Urkraft der Musik dieser Zeit spürte, aber sein musikalischer Intellekt war immer zu wach, als dass er sich dieser wirklich hingeben konnte. Nein, nein, Stockhausen ist ein denkbar schlechter Zeuge.
Hinzu kommt, dass ein fanatischer Arbeiter wie er, der an wenigen musikalischen Sekunden 14 Tage arbeiten konnte, einfach in der Lage gewesen wäre, doch woh kaum ein handwerklich auf niederstem Niveau stehendes Improvisieren und Collagieren als ernst zu nehmende, seiner eigenen zur Seite stehende Musik anerkennen konnte. Es hätte menschliche Größe erfordert, so etwas zu tun, aber nicht nur das, es hätte sein ganzes musikalisches Denken auf den Kopf gestellt. Umgekehrt machte es ja Gulda etwas später, als er als hoch gelobter Pianist plötzlich mit Paul und Limpe Fuchs auftrat, muskalischen Laien mit hohem Sendungsbewusstsein. Ich fand es damals nur peinlich. Aber es war bezeichnend für die Zeit.
(Das „jetzt“ ist doch einfach zu begreifen. Er hat sich für den Artikel Dark Star noch mal angehört und dabei jene Empfindungen gehabt).

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