Re: "Krautrock" und seine Verwandten

#7328521  | PERMALINK

_____

Registriert seit: 16.02.2007

Beiträge: 1,643

otis…Und Dark Star hebt er erst recht nicht in den Himmel, ist mir zu lang zu zitieren. Er wundert sich, dass ihn die 21 Minuten jetzt nicht stören…
Dennoch mag stimmen, dass er in Sausalito wenigstens einen Ansatz von Hörverständnis für Pop/Rock bekommen hat. Liest man den Artikel, so strotzt der jedoch vor E-Musiker-Arroganz (und letztlich völligem Unverständnis von Pop). Tenor: Habe ich längst vor ihnen gemacht, leicht zu durchschauen oder taugt nichts.

Nun aber zu deiner großen Apologie des Kraut. Ich kann nicht folgen. Da muss selbst ich PF vor Eloy in Schutz nehmen. Düül mit den Dead in einem Topf, da hat einer aber nicht wirklich hingehört. Was die Dead an freien Improvisationen hinbekamen, war bei den Münchnern doch nicht ansatzweise zu hören. Auf der einen Seite freies, musikalisch dichtes Gruppenspiel von versierten Gruppenmusikern, auf der anderen Seite deutlich stumpferes, vor allem langweiligeres, nach meiner Erinnerung nie wirklich spannende Gruppenimprovisationen, die man damals tausendfach um die Ohren geschlagen bekam.

Dieses unselige Paradieswärts kann man bitte gar nicht ins Feld führen. Da waren Chapter II natürlich deutlich musikalischer, keine Frage.

Die Kosmische Musik, so sollte sie vermarktet werden, traf damals sehr den Nerv der Zeit und wurde recht gut verkauft, zumindest war sie für die Interessierten überall präsent, und schon 5, 6 Jahre später eifrig (und teuer) gesammelt. Und nicht wenig war sie Ausdruck eines gewissen nationalen Rock-Stolzes, was mich von Beginn an daran nervte.
Im SIngles-Thread sprachen wir von The Witch von den Rattles. Ein Popstückchen, allerdings eins, das weltweit 1970 ein ganz klein wenig Furore machte. So wurde es verkauft. In den 60s haben wir uns doch eher geschämt für das, was von hier kam, allzu offensichtlich war der Qualitätsvorsprung von andernorts. Nicht zu glauben, dass die Rattles in England nicht von der Bühne gejagt wurden und logisch, dass die Liverbirds in D Karriere machten und nicht im UK (so schlecht waren sie).
Dann also kamen Kaiser, Ohr, Brain und fertig war die erste dt. Welle. Großes TamTam, nicht viel dahinter. Es war wie 54 im Fußball, plötzlich glaubte Pop-Deutschland, man sei wer. Nicht wenige hörten die Bands aus eben dieser Perspektive. Nein, es gab hier kein „eisiges popkulturelles Klima“. Woher dieses Märchen, oder ist das anders gemeint? Es gab eine popkulturelle Unkultur, die gibt es bis heute, aber das Bedürfnis nach Pop und die Akzeptanz waren früher und sind auch heute noch auf breiter Ebene vorhanden.

Düül II waren nett, Guru Guru unter aller Kritik (Der gute Frank möchte sich zweimal drehen, wenn er mit dem Neumeier in einem Atemzug genannt wird).

Was Stockhausen mit dem „jetzt“ meint übersteigt meine Gedankenkraft.
Sicher ist aber, dass, hätte er sie nicht gemocht, er niemals eine solch lyrische und ausgetüftelte Beschreibung ihrer Musik gewählt hätte.
Wenn diese Worte nicht die reinste Liebeserklärung an Dark Star ist, was ist es denn? Come on, dass kannst du mir jetzt wirklich nicht weismachen.
Seine Arroganz und Äußerungen zu den anderen Protagonisten mögen zutreffend sein, aber findest du nicht, dass da auch der weise Eigensinnige aus ihm spricht. Warum sollte ein Mann mit solch einer (Lebens-) Erfahrung kleinlaut werden, wenn man ihm eine musikalische Expertise abringen will.
Es mag vielleicht arrogant klingen, aber wenn sich Stockhausen seiner selbst nicht so sicher gewesen wäre, sein Werk wäre so womöglich gar nicht zustande gekommen. Es bleibt ein schmaler Grad. Und wenn man weiß, was er an Demütigungen einstecken mußte, dann sind seine Äußerungen leichteste Kost, im Vergleich. Wer soviel wie er eingesteckt hat, der darf auch mal austeilen. Und er hat viel Humor und Hintersinn, was man von seinen frühen Kritikern nicht eben behaupten konnte… so what…
Und ich erwähne es nochmals: Wer seine Biografie gelesen hat und kraft dieses gigantischen Schaffens nicht auf der Stelle vor Sprachlosigkeit und Respekt im Boden versinkt… ja, da weiß ich dann auch nicht mehr weiter…

Meine Essenz zum Thema Düül/Dead und Floyd/Eloy hast du scheinbar mißverstanden. Ich erläutere nochmal genau, was ich meinte:
Mein Maßstab in einer so hochgradig emotionalen Musik kann niemals der technische Aspekt sein bzw. die Cleverness in welchem Kontext auch immer.
Wenn dem so wäre, dann wäre z.B. Die Platte von Faust mit Tony Conrad das unterirdischste was der Markt jemals hergab. 60 Minuten Monotonie ohne technische Tricks oder ähnliches…
Empfindest du das so? Gut, wenn ja, dann haben wir hier ein emotionales Mißverständnis bzw. einen grundsätzlich völlig verschiedenen Blick darauf.
Aber wenn diese Magie für jemanden nachfühlbar ist, dann wird es ihm auch nicht schwerfallen, sie in den anderen o.g. Werken herauszukristallisieren.
Ob Paradieswärts Düül und die ersten 5 A.D.II Alben nun technischer Mumpitz oder schiere Magie sind, liegt im Ohr des Zuhörers.
Ich kann, als selbst praktizierender Musiker, deine Einwände völlig nachvollziehen, aber käme damit nicht sehr vieles unter die Räder?
Ich könnte mich auch über technische Unzulänglichkeiten im Krautkontext aufregen, mich daran stören. Aber damit zerstört man auch viel Magie.
Wer würde auf diese Weise z.B. Velvet Underground, Beefheart, die Stooges oder Syd Barrett bewerten? Sicher, es gibt solche Menschen, die finden das gräßlich. Aber das ist meine Baustelle nicht. Beware of Krautrock?
Also Musikalität und Kunst allgemein hier als dualen Gegensatz zu diskutieren finde ich ein bißchen müßig. Da kommen wir nicht weit; wie auch?

Ich war ja damals noch in den Windeln, aber ich bezweifle sehr stark, dass sich die Krautplatten hier außerordentlich gut verkauft haben sollen.
War Kaiser nicht ein Niederländer? Ich habe eher den Eindruck er brachte reichlich Freigeist mit hierher und alle anderen haben sich dann munter drangehängt, weil die Zeit dies inzwischen auch zu fordern schien.
Can haben ihre erste Platte sicher nicht grundlos privat aufgelegt. Wenn das Klima so toll gewesen wäre, wäre das sicher nicht notwendig gewesen.
Ich hätte eigentlich schreiben müssen: Es gab überhaupt keine Popkultur.
Es gab Schlagermusik. Musik, die von den Erwachsenen gemacht und lanciert wurde. Man hatte doch gar keine Wahl. Hätte es nicht Vorfälle wie den Monks-Urknall gegeben (der ja ganz offensichtlich auch Faust auf den Weg brachte), was hätte man denn sonst wählen können? Heintje? Mmmh…,
Und ich bin mir sicher, dass hierzulande tendenziell genausowenig Kraut- als auch Monks Platten gekauft wurden. Insider werden die Zeichen der Zeit wohl erkannt haben, aber ganz sicher nicht die breite Masse.

Stockhausen darf nicht arrogant sein, Zappa darf es, und der Mani darf es absolut nicht… hmmmh… ich bin´s ein bißchen: Sind alles nur Menschen.
Wenn einer meint er sei was besseres als jemand anderes—Kritisch! ;-)

--