Re: "Krautrock" und seine Verwandten

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Registriert seit: 16.02.2007

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kramerNatürlich beziehe ich mich damit auf den „Krautkontext“ und ausschließlich auf deutsche Bands und Musiker. Darum geht es hier doch.

Dann sollte dennoch die Frage gestattet sein, was an z.B. „Paradieswärts Düül“, „Phallus Dei“, oder auch mannigfaltigen ähnlichen Ergüssen irrelevanter sein soll, als meinetwegen an den Grateful Dead oder auch den Doors etc.?
Solllte man nicht vielmehr Respekt davor, haben, dass unsere Gruppen versucht waren, diese Stereotypen abzustreifen und hiesige Wurzeln versuchten zu integrieren?
Also wenn es den Alben im „internationalen Vergleich“ nur einen Deut an Magie und Tiefe mangelt, dann ist es zumindest meinem Gehörsinn gänzlich entgangen.
Das ist doch genauso echte und empfundene Kunst. Muss man damit allem was aus Deutschen Landen kommt, jeglichen Wert absprechen, weil hier einfach alle zu blöde sind was auf die Beine zu stellen oder es einfach „ja eh nicht kapieren oder draufhaben“???
Dann müßte diese Analogie auch auf ganz andere Dinge anwendbar sein.
Sind die Filme von Werner Herzog (durchgängig mit der Musik Popol Vuh´s untermalt) auch spinnerter Schrott? Bräuchte dann irgendwer Blumfeld, Element of Crime oder die frühe Nina Hagen, Hans Söllner und tausend andere mehr???
Wenn man es so angeht, dann kann man auch gleich Schicht machen.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass man viele Protagonisten voreilig mit dem Etikett des Dilettantismus abstempeln möchte.
Wenn die Dead abgefuckt rüberkommen schreien alle Hallelujah. Aber die deutschen Hippies waren verpeilte Langhaarige, die nichts gebacken bekamen???
Ich halte dieses Vorurteil für unsinnig und hätten es unsere anderen Weltmitbewohner auch so gehalten, dann würden wir hier und heute nicht mal mehr über Can, Faust oder Neu! diskutieren. Hätte der damalige Tenor im Lande darüber entschieden, was aus diesen Gruppen wird, man würde sich gar nicht mehr an sie erinnern.
Was soll daran so anders sein ob eine deutsche Gruppe wie Guru Guru alberne Tendenzen mit Regionskolorit versprüht im Vergleich zu Zappas Mothers in der frühen Phase. War das denn weniger Klamauk oder war das qualitativ Lichtjahre voneinander entfernt?
Mani Neumeier hat darüber mit Irene Schweitzer Avantgarde gespielt und davor war er im Jazzsegment zugange. Ein typischer Hippiespinner also… ;-)
Und er ist ganz sicher kein Einzelfall (Düüls, Embryo, Hölderlin…)

Oder Eloy (weißgott nicht meine größten Helden unter dieser Sonne) – Waren die Leute bei Harvest dauerbedröhnt, nicht mehr zurechnungsfähig, als sie die Gruppe gesignt haben. Erinnert euch mal bitte an die illustre Künstlerschar, die die Speerspitze des Labels damals bildete. Nehmen die sich „solche Nieten“ ins Boot? Man kann es peinlich finden, wenn eine Band, so, zu einer Art deutschen Pink Floyd mutiert, aber haben sie qualitativ oder emotional was auf sich kommen gelassen (bei allem Pathos und Dialekt) ?
Sie haben sich tapfer geschlagen im Zeitkontext. Sie haben es wenigstens versucht, was immer man davon halten mag.
Sie haben es in einem Land versucht, in dem ein eisiges popkulturelles Klima herrschte, aber es gibt sie immer noch, nicht wahr?
Man sollte jeden respektieren, der sich im Niemandsland versucht hat zu profilieren. Es muss ein harter Weg gewesen sein.
Das dies nicht wie in England klingen kann, sollte objektiver beurteilt werden. Qualität und Relevanz sind keine plumpe Stilfrage. Magie beginnt dort, wo der Verstand und das Bewerten auch mal schweigen können und man Dinge einfach mal vorurteilsfrei betrachtet. Das mag bei einigen Krautis schwierig sein, weil man die „Vorbilder“ so stark verinnerlicht hat, aber hätten die Hörer anderer Länder auch so reagiert, wie gesagt, wir könnten uns das Thema möglicherweise komplett schenken. Es wäre verloren und vergessen. So einfach sollten wir es uns nicht machen.
Wir treten damit unserem Individualismus, unserer Intelligenz und unserer eigenen Doktrin in den Hintern.

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