Re: ECM Records

#7266491  | PERMALINK

soulpope
"Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

Registriert seit: 02.12.2013

Beiträge: 56,433

vorgartenECM 1044
julian priester pepo mtoto: love, love

während maupins THE JEWEL AND THE LOTUS sich aus der mwandishi-erfahrung ganz den klangmalereien widmet, die dort zwischen zwei grooves stattfanden, konzentriert sich das viel unmittelbarer anknüpfende album von julian priester (z.t ein jahr zuvor entstanden) auf das gegenteil: die hypnose der grooves, um die herum sich geräusche, stimmen, fremdkörper anlagern. mit dem elektronikpionier patrick gleeson in dessen different-furs-studio zusammen konzipiert, wird hier etwas weitergesponnen, was bei hancock zu früh zu ende ging – das zeigt sich auch an dem beharren auf den afrikanischen namen (mwandishi stand ja für hancock, hier sind jetzt pepo, umbra, ndugu, nyimbo, kamau und mguanda zu hören).

ein rascheln leitet den prolog ein, ein bass in space, dann rutscht ein etwas schwülstiges piano hinein, um kurz eine andere ecm-welt anzudeuten, die schleunigst wieder verlassen wird. irre flöten bleiben über, ein moog-rauschen, in der ferne hört man schon die snare. und dann schiebt sich der mörderbeat nach vorne, die snare im phaser, ein fetter e-bass, der für die verbleibenden 18 minuten ein 10-ton-riff wiederholt. 15/8.

die hypnose kommt zu ihrem vollen recht, keine entwicklung, keine erzählung. in der ferne ab und zu ein kleines bläser-motiv, das der weltraumsynthesizer mitspielt. es gibt ein langgezogenes e-gitarren-solo, nach pete-cosey-art-verzerrt, aber ganz nach vorne darf es nicht. ganz hinten flüstert und rauscht es, statische entladungen funken durch den raum, der leader ist an der posaune entweder gar nicht oder so elektronisch verzerrt zu hören, dass er sich mit der gitarre verwebt. priester und gleeson lassen ihre arp-synthesizer zwitschern, aber niemals penetrant werden. ok, irgendwann ein sopransaxssolo, relativ klar im raum. aber auch das geht in elektronische verzerrung über, man weiß nicht, hat jemand übernommen oder sich die stimme nur verändert. langsam schält sich noch eine zweiakkord-fender-rhodes-fläche heraus. congas. aber die ganze zeit: snare, bass, 15/8. eine ganz dünne synthiewand kommt immer häufiger, wenn auch wie aus einem anderen film. auf ihr endet der groove macht das aufwachen unvermeidlich.

der zweite teil (dreigeteilt: „images“/“eternal worlds“/“epilogue“) klingt wesentlich anders, ist auch fast ein halbes jahr später, mit z.t. anderen musikern aufgenommen worden. die groovemaschine von eric gravatt und ron mcclure weicht zunächst einem freien wirbel von leon chancler und henry franklin, in den sich geräusche, echos und fanfaren mischen, priesters so verlorene posaunenstimme macht sich hier zum ersten mal bemerkbar, auch calimans bassklarinette (die hier maupin ersetzt), bevor alles im elektronischen rauschen entschwebt. dann setzt ein swingrhythmus ein, der gegen ein bass-ostinato gesetzt ist und zu dem ein thema akustisch nochmals in einem anderen metrum erklingt. die elektronik wird hier auf wenige effekte zurückgefahren, die improvisationen und kollektiven akzente beziehen ihre spannung jetzt in einem kinetischen fluss aus den gegeneinander arbeitenden rhythmen (die sich manchmal in einer latin sophistication etwas begradigen). priester hat auf dem höhepunkt einen großen moment, wo er quasi darüberatmet, walgesänge unterschiebt, den vollen musikalischen raum mit staccati zerhackt. gleichzeitig ist sein sound der wärmste und humanste von allen, zart und doch dominierend. im epilog übernehmen natürlich wieder die moogs und arps und die bläser verschwimmen im echo. doch ganz am ende kommen sie noch einmal mit einer romantischen melodie, wie ein ellington-orchester aufschluchzend.

was für ein trip.

Tolle Beschreibung einer mir bis heute rätselhaft gebliebenen Einspielung …. die (aka meine) ungelösten Rätsel bilden jedoch auch die verbliebene Anziehungskraft diese dann und wann wieder aufzulegen …. und die „Groovemaschine“ Gravatt+McCLure läuft hier wirklich heiss …. aber Henry Franklin +Ndugu Chance könnens auch ….

--

  "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)