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soulpope "Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"
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vorgartenECM 1035/36/37
keith jarrett: solo concerts bremen/ lausannezwei komplette auftritte ohne vorbereitetes material auf dreifach vinyl. hier fängt das also an. es gab mehr konzerte, mehr aufgenommenes material, aber am ende entschieden sich eicher und jarrett für bremen und lausanne, wo alles passte: die ideen, der flügel, das publikum, der sound.
man ist ziemlich ausgelaugt, wenn man das alles am stück hört. vor allem das bremen-konzert zeichnet sich dadurch aus, dass jarrett gar keine sich langsam entwickelnden bewegungen anbietet, sondern alle paar takte schon wieder eine neue idee hat, woanders ist, ohne dass man sprünge oder schnitte wahrnimmt. keine repetitiven muster, kein festhängen an höhepunkten, er fliegt einfach weiter. in lausanne lässt er es etwas ruhiger angehen, am ende von teil eins hat er etwas gefunden, was mehr sound als motiv ist: eine der tiefen saiten schnarrt und reagiert auf eine simultane figur, es klingt, als ob der flügel in ein eigenständiges brummen gerät. teil zwei fängt jarrett vielleicht deswegen mit einem dialog von sounds aus dem inneren des flügels mit ’normal‘ gespielten noten an. das material, was gefunden wird, mag an sich gar nicht spannend sein, aber der ideenreichtum ist unfassbar. als flöge alles herum und müsste nur kurz aufgegriffen werden.
in einem 12-seitiges booklet sieht man einen kleinen mann in schlaghosen und einem hemd mit blumenornamenten, aus seide wahrscheinlich. kleiner formexzess in einem white cube europäischer konzertkultur.
Hier trifft also der „Messias“ auf seine Jünger und die Botschaft wird durch die bereitwillige Aufnahme der Bekehrungssüchtigen noch intensiver und durchdringender …. sicherlich (und zu Recht) ein 70er ECM Klassiker und hier fällt das Konzept von Eicher Hrn. Jarrett einfachen „tun zu lassen“ auf fruchtbaren Boden …. gerade der überbordende und nicht abebbende Ideenschwall von Jarrett macht (mit Abstand der Zeit) ein Wiederhören sinnvoll denn es erschliessen sich immer wieder neue Blickwinkel und Details …. „tempora mutantur, nos et mutamur in illis“ ….
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"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)