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ECM 1004
marion brown: afternoon of a georgia faun
wen man einen plan hinter der logischerweise etwas rumpeligen anfangsdiskografie von ecm ausmachen will, dann gibt es zumindest einen überraschenden schwerpunkt – kollektive freie improvisation. auch wenn es sicherlich bedeutende konzeptionelle unterschiede gibt zwischen dem, was just music machen, was die music improvisation company noch einspielen wird und was dieses stellare who-is-who der us-amerikanischen jazzavantgarde zusammenfiept und -klappert, das marion brown im august 1970 in einem new yorker studio versammelt.
es gab wohl keinen plan. die londoner gruppe kam über einen tipp von waldron- und dauner-drummer fred braceful zum label und marion brown dürfte durch seine spuren dort gelandet sein, die seine vergangenen zwei jahre in europa hinterlassen haben; wahrscheinlich ist es eher zufall, dass dieses album aufgenommen wurde, als er schon wieder in den usa war. oder auch das war konzept: denn diese musiker, die sich vorher in deutlich „jazzigeren“ kontexten bewegt haben (maupin, lee, cyrille, braxton, corea und brown selbst), hätte man kaum in europa zusammenbringen können.
GEORGIA FAUN ist jedenfalls ein dokument der vermischung von kulturellen sphären – europäische avangarde und jazz, programmmusik und völlig spontane improvisation, professionelles musikertum und freier dilletantismus (es sind nämlich auch drei nicht-musiker an den einspielungen beteiligt, die brown in den liner notes „assistenten“ nennt).
absurd ist, wie diese höchst individuellen stimmen im kollektiv verschwinden – der einzige, den man an seinen licks und trademarks ab und zu erkennt, ist corea. diese orgie des little-instruments-gebrauchs, die natürlich oft an das art ensemble of chicago erinnert, täuscht kommplett darüber hinweg, dass da ein brown, ein braxton und ein maupin zur gleichen zeit am gleichen ort sind.
strukturell erwartbar besteht auch dieses album aus zwei albumseitenlangen bewegungen, die illustrativ, manchmal sogar soundtrack-haft, aus naturgeräuschen entwicklungen herstellen, von imitierten wasser-sounds zu kammermusikalischen verknotungen, von tier-rufen zu artikulierten lyrics: „listen to me – can you hear?“
mich packt das nicht sehr, gerade, weil es – zumindest im titelstück – so illustrativ bleibt. die ständigen veränderungen im klangbild machen es – anders als bei den strukturierter improvisierenden just-music-leuten – nicht unbedingt spannender. und tongedichte sind ja meistens sowieso doof.
interessant aber, dass eine aufnahme mit diesen leuten und einem solchen konzept über den umweg eines jungen deutschen labels plötzlich 1970 in der musikgeschichte steht.
Marion Brown alto saxophone, zomari, percussion
Anthony Braxton alto and soprano saxophones, clarinet, contrabass clarinet, chinese musette, flute, percussion
Bennie Maupin tenor saxophone, alto flute, bass clarinet, acorn, bells, wooden flute, percussion
Chick Corea piano, bells, gong, percussion
Andrew Cyrille percussion
Jeanne Lee voice, percussion
Jack Gregg bass, percussion
Gayle Palmoré voice, piano, percussion
William Green top o’lin, percussion
Billy Malone african drum
Larry Curtis percussion
Recorded August 10, 1970 at Sound Ideas Studio, New York City
Engineer: George Klabin
Produced by Manfred Eicher
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