Re: Nouvelle Vague – 3

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mistadobalina

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Hier eine Rezension von Thomas Winkler (FR-Online). Trifft es ganz gut, denke ich.

Neues Album von Nouvelle Vague
Unerfüllte Träume der Bionade-Bohème

VON THOMAS WINKLER

Kennen Sie den? Treffen sich zwei Franzosen. Sagt der eine: „Diese alten Punksongs sind doch immer noch großartig“. Sagt der andere: „Allerdings.“ Sagt wieder der erste: „Dann lass uns die doch einfach mal nachspielen.“ Antwortet der zweite: „Ja, super – aber als Bossa Nova.“

Darüber, ist wirklich wahr, wurde nicht nur in Frankreich herzlich gelacht. Aber jeder Witz wird mal schal. Und anstatt denselben Jokus nach zwei überaus erfolgreichen Alben noch einmal zu erzählen, haben sich Nouvelle Vague entschlossen, ihre Pointe zu variieren. Auf „3“ ist die südamerikanische Folklore wieder Vergangenheit: Stattdessen versuchen sich Marc Collin und Olivier Libaux, unsere beiden frischen Franzosen, diesmal an amerikanischem Country und Bluegrass. An allerdings einer sehr französischen, sehr verrauchten, ja ziemlich erotisierten Easy-Listening-Variante von Country.

Ansonsten aber befolgen sie ihr bekanntes Erfolgsrezept wieder sklavisch: Ausgewählt wurden verdiente Produkte der etwas alternativen Unterhaltungsmusik, wobei das Spektrum vom stadiontauglichen Electro-Pop von Depeche Mode („Master and Servant“) über Soft Cells „Say Hello Wave Goodbye“ bis zum Pseudopunk-One-Hit-Wonder Plastic Bertrand („Ça plane pour moi“) reicht.

Zum Singen dieser Klassiker wurden dann wie gewohnt einheimische Chanteusen wie Sophie Delila, Melanie Pain, Karina Zeviani oder Silja rekrutiert, die die Vorlage allerdings nicht kennen durften. Dahinter steckt die Absicht, eine vom Original möglichst unbelastete Neuinterpretation aufnehmen zu können: Das, muss man zugeben, gelingt auch auf „3“ ganz formidabel. Nouvelle Vague lassen noch jeden früher mal flotten, einstmals rebellischen oder zumindest kontroversen Song zum vermeintlich beischlaffördernden Kuschel-Pop säuseln.

Einzige strukturelle Neuerung: Einige der Urheber der Songs haben sich bereit erklärt, das eigene Werk im Duett vorzutragen. Musikalisch ist das zwar nicht unbedingt eine Offenbarung, aber offenbart die popkulturelle Bedeutung, die das Projekt mittlerweile angesammelt hat.

Selbst die Helden von einst, darunter Terry Hall (The Specials) oder Ian McCulloch (Echo & the Bunnymen), sehen sich genötigt, die Versülzung ihres Schaffens quasi offiziell abzusegnen. Selbst Depeche-Mode-Mastermind Martin Gore wohnt freiwillig der eigenen Balsamierung bei.

Der neuerliche Erfolg dürfte trotzdem programmiert sein. Der baute schließlich nicht zuletzt auf dem zwar überschaubaren, aber durchaus vorhandenen Distinktionsgewinn. Denn Punk-Gassenhauer wie den Sex-Pistols-Kracher „God Save The Queen“ kennt fast jeder, der die letzten Jahrzehnte nicht unter den Taliban verbracht hat.

Aber die Leute, deren Adoleszenz von diesem Song mitgeprägt wurden, schieben mittlerweile Kinderwagen durch Berlins Prenzlauer Berg und sitzen an den kreativen Schaltstellen. Diese Zielgruppe hottete vor zwei Jahrzehnten noch zu Indie-Disco-Hits wie „Blister In the Sun“ von den Violent Femmes über die Tanzfläche des alternativen Jugendzentrums in der Provinz. Oder träumte zu unkaputtbaren Sehnsuchtssongs wie „Road To Nowhere“ von den Talking Heads davon, die USA mal auf einem Motorrad zu durchmessen.

Heute will sie sich aber vor allem nicht mehr aufregen. Sondern abends ein gutes Glas Wein schlürfen, wenn der Nachwuchs endlich schläft, und dazu dieselbe Musik wie früher hören – nur irgendwie anders. Nicht so nervig eben. Und das ist dann wohl der Witz an Nouvelle Vague: Sie spielen den Soundtrack zu den unerfüllten Träumen der Bionade-Bohème als nur mehr blassen Wiederhall seiner selbst.

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When I hear music, I fear no danger. I am invulnerable. I see no foe. I am related to the earliest time, and to the latest. Henry David Thoreau, Journals (1857)