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(mehr zu diesem Zeitraum hier)
Diese Live-Aufnahmen aus Dallas, TX, erschien zum ersten Mal 1998 auf CD – davor waren drei Stücke auf den Compilations „Star Time“ (4CD 1991), „Soul Pride“ (2CD 1993) und „Foundations of Funk“ (2CD 1996) zu hören, die drei betreffenden Stücke („There Was a Time“, „Tighten Up“ bzw. „Licking Stick – Licking Stick“) wurden für die 1998er CD allerdings nochmal neu abgemischt.
Zum Auftakt des CD-Booklets findet sich ein kurzer Text von Chuck D, der sich an seine Zeit als second grader 1968 erinnert:
April 4, 1968. Dr. Martin Luther King Jr. was assassinated in Memphis. School was out for a couple of days and the 6 o’clock news on the black and white television in our house anticipated nationwide problems. Before then the turbulence of the decade had seen one assassinated president; political and civil rights leaders jailed, beaten or murdered for their beliefs. Vietnam was a blur on television, but the reality was my uncles receiving their draft letters. Another hero, Muhammad Ali, had proclaimed „I ain’t goin‘ to fight no Vietcong.“ and was willing to go to jail. Other black athletes were threatening to boycott the upcoming Olympics.
Chuck D schildert in der Folge, wie sich in jener Zeit die Selbstbezeichnung der Afro-Amerikaner von „Negro“ zu „colored“ gewandelt hatte – und dann 1968 nach Kings Ermordung und Browns darauf folgender Single „Say It Loud – I’m Black and I’m Proud“ zu „black“ wandelte:
James Brown singlehandedly took a lost and confused nation of people and bonded them with a fix of words, music and attitude. After a hot summer of baseball camp, summer lunches and barbecues, „Say It Loud – I’m Black and I’m Proud“ was the phrase that prepared me for the third grade, 1969, and the rest of my life. Black now signified where we was at, a new discovery of our bad self.
In Billboard erschien am 27. April 1968 ein kurzes Editorial zu Brown, worin über Browns Reise nach Washington berichtet wurde:
Amid the looting and burning in Washington, Brown came instead to the people, and with the simplicity and conviction of a lesson well-learned, told a television audience: „Get off the streets, go home. Nothing could be gained by the looting and burning, only sorrow and misery. . . . Give the kids a chance to learn.“
[…]
Brown went to Washington at his own expense, just as he did in Boston and other riot-torn cities. His record, „Don’t Be a Drop-Out,“ has sold over 1 million copies, and he has given away free thousands of „Stay in School“ buttons, printed at his own expense.
1968 war die Band schon seit etwa fünf Jahren beisammen und im zweiten Jahr von Pee Wee Ellis‘ Leitung. Neue Arrangements von „Suds“ (das Original von 1961 ist auf „Soul Pride“ zu hören) und das neue Stück „Soul Pride“ (es gab der Instrumental-Compilation den Titel) sollten endlich aufgenommen werden – Brown war ja stets daran interessiert, seine Band zu featuren, von ihnen Aufnahmen zu machen. Da keine Zeit war für Studio-Aufnahmen in seinem hektischen Tour-Plan schickte das Label King einen Ton-Ingenieur nach Dallas, um dort live aufzunehmen. Da unter den Live-Umständen keine idealen Aufnahmen möglich waren, nahm die Band ihr instrumentales Set anschliessend im leeren Saal noch einmal auf.
Diese Aufnahmen ohne Publikum machten den grössten Teil des Albums James Brown Plays and Directs The Popcorn (King LP 1055, Juli 1969, Pop #40). Bis auf „In the Middle, Pt. 2“ und „Why Am I Treated So Bad“ (letzteres ist auf der schönen Compilation Jazz zu finden) sind alle Stücke dieses möglicherweise besten instrumentalen Albums von Brown auf der „Soul Pride“ Compilation zu finden (mehr dazu hier).
Das Instrumental-Set auf „Live and Loud“ besteht aus „Suds“, „Soul Pride“ und „Tighten Up“ (dieselbe Version wie auf „Soul Pride“). Der Grossteil der CD besteht aber aus Stücken mit Browns Gesang.
Nach einer kurzen Intro ins „Teaser Set“ folgt „If I Ruled the World“, dann eine längere Ansage Browns – dank ans Publikum und Einleitung zu „Say It Loud – I’m Black and I’m Proud“ – Brown weist das Publikum an, mitzusingen – das Stück wird eher verhalten gespielt, Jimmy Nolens Gitarren-Fills klingen grossartig. Die Single war übrigens zehn Tage vor diesem Konzert in den Handel gekommen.
Es folgen zwei Sammy Lowe Arrangements: die Brown-Ballade „I Guess I’ll Have to Cry, Cry, Cry“ – das Streicher-Ensemble ist hier prominent zu hören – und Leiber-Stollers „Kansas City“ (auf „Messing with the Blues“ ist ein Alternate Take der Album-Version von „Cold Sweat“, LP 1020, zu hören) – die Band ist schon hier in grosser Form, der Bass (wohl Al Kellum?) treibt, die Bläser bauen Riffs, Nolen spielt ein reduziertes bluesiges Solo, das aus ein paar scheinbar achtlos hingeworfenen Licks zu entstehen scheint.
Das Instrumentale Set geht weiter mit „Suds“ (die Album-Version, die im Anschluss ans Konzert aufgenommen wurde hiess „Sudsy“) und einem grossartigen Solo von Maceo Parker – Nachwuchs-Drummer „Sweet“ Charles Sherrell ist hier wie auf ein paar anderen Nummern am Bass zu hören. Nachdem Bassist Tim Drummond wegen Krankheit ausgestiegen war, übernahm er de Bass, in diesem Konzert spielte aber Gitarrist Alphonzo Kellum die meisten Bass-Parts, was wiederum seine Rhythmusgitarre an gewissen Stellen fehlen liess. Kellums Bass ist auch auf dem langen „Tighten Up“ prominent zu hören – wie sein Boss JB fordert Maceo die Band Stück für Stück zum spielen auf: Kellum, Nolen, Ellis (der hier Orgel spielt), dann die Bläser… grossartig! Waymon Reed bläst ein wunderbares Trompetensolo, das zwar in die Höhe geht, zeigt, was er alles drauf hat, aber doch von einer melodisch-lyrischen Grundstimmung geprägt ist.
Dann folgt die „Star Time“, das lange Set mit James Brown, seinen neuen und alten Hits und Medleys… zum Auftakt singen Brown und St. Clair Pinckney zusammen „Licking Stick – Licking Stick“, eine damals noch junge Single, die es bis auf #2 der R&B Charts geschafft hatte.
Es folgt das Herzstück des Konzertes: fast dreizehn Minuten „Cold Sweat“, wieder mit Kellum am Bass und Maceo am Tenor als Counterpart zu Brown.
Ab hier kocht die Musik… „There Was a Time“ hält die Intensität auf dem Maximum – die beiden Drummer Clyde Stubblefield und Nate Jones spielen hier gemeinsam und der Groove ist kaum zu ertragen! Es folgt „Try Me“ mit offstage Backing Vocals von Marva Whitney und dem Techniker Robert Graham – mit sehr prominenten Streichern über dem 12/8 Beat und Nolens Gitarre. Es folgen im Medley „Lost Someone“ und „Bewildered“, danach „Papa’s Got a Brand New Bag“ und dann eine neue Single: „I Got the Feeling“, danach wieder ältere Hits: „Maybe The Last Time“, „I Got You (I Feel Good)“ und „Please, Please, Please“ (mit Backing Vocals vom Streich-Trio), vor wieder eine neuere Single das Set abschliesst: „I Can’t Stand Myself (When You Touch Me)“.
Das Finale besteht aus Reprisen von „Cold Sweat“, „I Got the Feeling“ und „Say It Loud – I’m Black and I’m Proud“ – im wilden Mix bahnt sich der Funk nochmal ganz massiv einen Weg und lässt erahnen, in welche Richtung Browns Musik in den kommenden Jahren entwickeln würde.
Kurz gesagt, ein manchmal etwas fragementarisches Album, das einen beliebigen One-Nighter wiedergibt – JB und die vielleicht beste Band, die er je hatte, bei der Arbeit… schon das allein find ich einen guten Grund, die CD zu besitzen! Dazu kommt, dass beim wiederholten Hören in den letzten Tage die Musik für mich stetig gewachsen und besser geworden ist!
Ein weiteres Stück aus Dallas ist übrigens auf „James Brown’s Original Funky Divas“ zu hören: „I’m Tired, I’m Tired, I’m Tired (Things Better Change Before It’s Too Late)“ aus dem Set von Marva Whitney (zuvor als Single King 6193 September 1968, Reissue Single King 6218 März 1969, dann auch auf dem Album“It’s My Thing“, King KSD 1062 August 1969).
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