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Diese Compilation ist wohl eher für Sammler und richtige Fans als für Leute, denen ein paar Alben oder CDs von Brown reichen. Erschienen 1990 versammelt sie auf zwei CDs 26 Covers von Blues und R&B Klassikern wie Bobby „Blue“ Blands „Further On Up the Road“, Louis Jordans „Caldonia“ und „Ain’t Nobody Here But Us Chickens“ und Stücke, die u.a. von Wynonie Harris, Bullmoose Jackson, Ivory Joe Hunter, Fats Domino, Little Willie John, Guitar Slim, Bill Doggett oder Memphis Slim bekannt gemacht wurden. Damit ist auch bereits das Feld geöffnet, in dem Brown sich mit diesen Songs verortet: Hommagen an seine Vorbilder aus dem R&B, Stücke, die eher selten waren in späteren Jahren, als Brown sich immer mehr zum Funk hin entwickelte, die in den frühen Jahren aber zum täglichen bread and butter gehörten. Eingeklammert werden diese Stücke durch zwei Takes des einzigen Brown-Originals, „Like It Is, Like It Was (The Blues)“ am Anfang und „… (The Blues, continued…)“ am Ende, aufgenommen im Dezember 1972 und zuvor unveröffentlicht (der Opener) bzw. auf einem Soundtrack versteckt (der Closer, auf „Black Caesar“, Polydor 1973). Es handelt sich dabei um einen dieser Monologe, in dem Brown wie ein Musiker „rifft“ – über einem fetten Background der JBs (inkl. Wesley, Pinckney, Nolen). Brown spielt selber Piano.
Abgesehen von dem Rahmen, den die Brown-Originals geben, sind die Stücke nicht nach Aufnahmedatum geordnet sondern nach dem erscheinen der Original-Versionen – interessanterweise macht das auch beim Hören durchaus Sinn!
Dann folgen einige Songs von 1964 – es findet sich auf dieser Doppel-CD fast das ganze Smash-Album Show Time, das im Original aber von zusätzlich reingemischtem Applaus verunstaltet wurde. Arrangiert hat diese Stücke Sammy Lowe, der schon das wunderbare „Prisoner of Love“ verantwortete. Lowe war 21 Jahre lang Lead-Trompeter und Arrangeur bei Erskine Hawkins – von Hawkins stammte auch die Hit-Version von „Don’t Cry, Baby“. Brown steht vor einer Big Band, in der vor alem Jazz-Veteranen sitzten. St. Clair Pinckney ist am Tenorsax mit dabei und spielt wohl auch die paar Soli.
Der Master Take von „Caldonia“ erschien 1964 auf der ersten Smash-Single von Brown (Pop #95). Die B-Side „Evil“ ist auf Soul Pride zu finden (auch ohne Fake-Applaus). Zudem findet sich auf Star Time ein Alternate Take von „Out of the Blue“ – es fehlen dann nur „Sweet Lorraine“ (das man wohl sowieso besser von Nat „King“ Cole hört), „Somebody Changed the Lock on My Door“ und „You’re Nobody ‚Til Somebody Loves You“.
Von diesen „Showtime“-Sessions stammen auch „Somebody Done Changed the Lock on My Door“, „Ain’t Nobody Here But Us Chickens“, „Good Rockin‘ Tonight“ (zuerst auf dem sofort zurückgezogenen Smash-Album Out of Sight veröffentlicht, dann 1967 in einem anderen Mix als B-Side von „Let Yourself Go“ – R&B #5, Pop #46 – und zu guter letzt im Originalmix 1968 auf dem Album James Brown Sings Out of Sight).
Let Yourself Go erschien allerdings auch als Single mit der B-Side Kansas City, von dem auf „Messing with the Blues“ ein Alternate Take zu finden ist. Laut „Star Time“ war die B-Side von „Let Yourself Go“ aber „Good Rockin‘ Tonight“ und die „Kansas City“ eine eigene Single (mit B-Side „Stone Fox“, einem Instrumental – R&B #21, Pop #55) – verwirrend!
Nach „Good Rockin‘ Tonight“ folgt eine der für mich rührendsten frühen Brown-Aufnahmen, seine Version von I Love You, Yes I Do (b/w Just You and Me Darling – die B-Side erreichte R&B #17 und ist auf der schon erwähnten Roots of a Revolution zu finden – mehr dazu hier). Brown wird hier von der J.C. Davis Band begleitet, die Aufname stammt vom Februar 1961.
Auf „Messing with the Blues“ vom April 1957 ist Brown mit einer King-Session-Band und Gesangsbegleitung zu hören. Das Stück erschien als B-Side der Single „Love Or a Game“ (Federal 1957) und ist kurz aber sehr, sehr schön! Dasselbe gilt für „Waiting in Vain“, das zwar vom Juli 1962 kommt aber gar nicht so unähnlich ist. Brown und die Famous Flames werden von der Band mit Lewis Hamlin (und ohne die Saxophone) begleitet. Das Stück landete als B-Side auf der Single Signed, Sealed and Delivered (Pop #77) und wurde dann auch als neustes Stück auf der LP Prisoner of Love verwurstet. Die A-Side ist auf „Roots of a Revolution“ zu hören.
Es folgen zwei weitere Stücke vom Album „Showtime“: „For You, My Love“ und Blues for My Baby. Lowes Arrangements machen Spass, Brown scheint sich wohlzufühlen – obwohl er kurz danach seinen musikalischen Weg endgültig mit Singles wie „Out of Sight“ und „Think“, die später 1964 erschienen, und dann 1965 mit „Papa’s Got a Brand New Bag“ auch den kommerziellen Erfolg wieder fand.
Dennoch nahm Brown später erneut mit Lowe auf und 1969 erschien ein weiteres ganzes Album mit einer Big Band: Oliver Nelson arrangierte für Brown und die Big Band von Louie Bellson (mit dem Solisten Maceo Parker) das Album Soul on Top – auf „Messing with the Blues“ war zum ersten Mal die grossartige lange Version von Everyday I Have the Blues zu hören. Das Stück hatte eine längere Tradition, als „Nobody Loves Me“ hat Memphis Slim es 1948 zum ersten Mal eingespielt, es folgten Covers von Lowell Fulson (feat. Lloyd Glenn, 1950) und später von Joe Williams & King Kolax (1952), B.B. King (1955) und im selben Jahr die grossartige Version von Williams mit Count Basie. Brown braucht den Vergleich jedenfalls nicht zu scheuen!
Es folgt „Love Don’t Love Nobody“ mit einem False Start, in dem man King-Boss Syd Nathan hören kann. Die Aufnahme entstand 1960 mit der J.C. Davis Band und erschien als B-Side zu „I Don’t Mind“ (R&B #4, Pop #47 – ein Alternate Take davon ist auf „Roots of a Revolution“ zu hören. Weiter geht’s mit einer Rarität: „Goin‘ Home“, das Stück von Fats Domino/Al Young ist zum ersten Mal auf „Messing with the Blues“ veröffentlicht worden. Aufgenommen wurde es im Dezember 1969.
Weiter gehts mit dem jumpenden kurzen Have Mercy Baby vom Juni 1961, das zuerst auf dem Album Shout & Shimmy erschien und dann Ende 1964 auch noch als Single erschien (R&B #92). Das folgende Kansas City habe ich oben schon kurz erwähnt. Es ist eine weitere Zusammenarbeit von Brown mit Arrangeur Sammy Lowe und einer Studio Big Band – auf „Messing with the Blues“ ist ein Alternate Take zu hören – eins der Highlights! (Der Master Take erschien wohl auf dem Album Cold Sweat.)
Mit The Bells von 1960 endet die erste CD – auch hier ist ein Alternate Take zu hören. Das Stück stammt von denselben Sessions wie „Love Don’t Love Nobody“ und J.C. Davis ist mit seinem muskulösen Tenorsax zu hören im Dialog mit Brown… noch sehr viel ruhiger und bluesiger als später mit Maceo, aber das Prinzip des gemeinsam Solieren/Improvisieren ist schon hier zu finden. (Weitere acht der elf Stücke, die im September und Oktober 1960 für King eingespielt wurden finden sich auf „Roots of a Revolution“, es fehlt nur eins auf diesen Compilations.)
„Don’t Leave Me (Please Don’t Go)“ ist die mit fast 12 Minuten längste Aufnahme auf dem Set. Auch sie ist vorher nicht veröffentlicht worden und stammt aus derselben Session vom Dezember 1969 wie „Goin‘ Home“. Bobby Byrd spielt Piano, William „Beau Dollar“ Bowman sitzt am Schlagzeug, Kenny Poole ist einer der beiden Gitarristen – er oder der unbekannte zweite ist hier ebenso wie ein unbekannter Tenorsaxophonist auch als Solist zu hören. Das Stück bleibt auf wenigen Akkorden liegen, Byrd spielt eine monoton rollende Triolen-Begleitung am Piano, die beiden Gitarren umspielen ihn, und Brown ist front and center während fast der ganzen Aufnahme. Grossartig!
„The Things That I Used to Do“ erschien erstmals auch auf „Showtime“, aber auch auf einer Smash-Single (Pop #99, b/w Out of the Blue – von der B-Side ist in „Star Time“ ein Alternate Take enthalten). Sehr schön, wie Al Lucas am Kontrabass das Stück erdet – Billy Butler und Wallace Richardson spielen Gitarre, der eine der beiden ist ziemlich prominent zu hören. Eine wunderbare Aufnahme!
„Need Your Love So Bad“ stammt von der 1967er Session mit Sammy Lowe, das Little Willie John Stück wird im zügigen 12/8 präsentiert, mit leichten Drums von Bernard „Pretty“ Purdie und einem tollen Arrangement für die Band (die je drei Trompeten und Posaunen enthält, aber nur St. Clair Pinckney am Barisax). Ernie Hayes, der auf einigen Stücken an der Orgel zu hören ist, macht auch einen hervorragenden Job. Zum ersten mal zu hören war diese Aufnahme auuf dem Album I Can’t Stand Myself.
„Like a Baby“ ist eine weitere Aufnahme von 1962 mit der Bnad um Lewis Hamlin. Elvis hatte das Stück zwei Jahre zuvor auf „Elvis Is Back“ gesungen, Browns Version erschien auf dem Album James Brown & His Famous Flames Tour the U.S.A. und später auch als B-Side der Single Every Beat of My Heart, von dem eine längere Version auf „Soul Pride“ erschienen ist – die B-Side erreichte R&B #24, die instrumentale A-Side #99 Pop).
Mit Honky Tonk vom April 1972 sind wir dann nach einem Zeitsprung mitten im Funk… Bobby Roach (Solist) und Hearlon „Cheese“ Martin an den Gitarren, Fred Thomas am Bass und „Jabo“ Starks am Schlagzeug lassen es krachen, unter den Bläsern des „James Brown Soul Train“ sind Fred Wesley und St. Clair Pinckney, letzterer mit einem ekstatischen Solo zu hören. Die Single landete auf R&B #7 und Pop #44.
Die Blues-Ballade „Suffering with the Blues“ kommt von 1968, erneut mit Sammy Lowe und einer grösseren Band eingespielt. Alfred „Pee Wee“ Ellis spielt Orgel. Auch dieses Stück wurde erstmals von Little Willie John eingespielt, einem von Browns grossen Vorbildern, der 1968 verstarb. Eine sehr schöne, aufrichtig empfundene Hommage. Das Stück erschien denn auch auf dem Album Thinking About Little Willie and A Few Nice Things.
Mit Further On Up the Road sind wir wieder im Funk-Territorium. Diese unveröffentlichte Aufnahme entstand 1973 – eine andere Version erschien auf dem Album Reality. Die Rhythmusgruppe ist seltsam distanziert, gedämpft. Fred Wesley ist kurz als Solist zu hören, vor das Stück fadet.
Von derselben Session wie „Suffering with the Blues“ stammt „Talk to Me, Talk to Me“ – wie dieses erschien es auch zuerst auf dem Little Willie John gewidmeten Album. Vorangestellt ist ein kurzer Radio Spot, der für eben dieses Album wirbt. Ellis spielt wieder Orgel, Brown bellt in bester Soul-Balladen-Manier, ohne je zu übertreiben oder zu dick aufzutragen.
Es folgt eine weitere Version von „Kansas City“, aufgenommen 1975 und auf Everybody’s Doin‘ the Hustle and Dead on the Double Bump erschienen. Über einen Shuffle-Beat von „Jabo“ bellt Brown den Text und holt Maceo Parker für ein hübsches Altsax-Solo, das mit simplen Motiven spielt. Brown und die Band sind noch immer in Form, allerdings ist hier musikalisch nichts zu hören, was nicht schon in den späten 60ern oder den frühen 70ern zu hören war.
Vor dem Outro-Original kehren wir nochmal in die frühen Jahre zurück: vom November 1959 stammt Wonder When You’re Coming Home, die B-Side der Single „This Old Heart“, die auf „Think“ folgte und 1960 &B #20/Pop #79 erreichte. Die Band ist jene von J.C. Davis mit Nat Kendricks hartem Beat, angereichert von King Session-Musikern und unbekannten Sängern. Das Stück erschien auch auf dem Album Think!.
Zum Ende folgt dann die zweite Version bzw. die Fortsetzung des Monologs vom Anfang: „Like It Is, Like It Was (The Blues, continued…)“. Brown klimpert am Piano, Fred Thomas‘ Bass gibt das Fundament, „Jabo“ spielt einen feinen 12/8 Beat mit Besen… und Brown rifft sechseinhalb Minuten. Ein sehr stimmungsvoller Abschluss einer etwas zusammengewürfelten Compilation, die zwar einige Highlight und manche schöne Stücke enthält, insgesamt aber ein etwas unausgewogenen Eindruck hinterlässt.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba