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Sowohl Konsumenten jener frühen Jahre von Country & Western (begrifflich seit 1940 und nachträglich aus Vermarktungsgründen übergestülpt), die in diesem Fall oftmals Radiohörer waren, als auch ihre musikalischen Protagonisten haben ethische, politische, gesellschaftliche, fragwürdig nationalistische und rassistische Verwerflichkeiten in Kauf genommen (auch aus finanziellen Erwägungen). Dies bleibt an der Musik kleben. Sklavenhaltung, Rassentrennung und ihre Folgen werden durch die vorhandene Qualität von Songs nicht zur fröhlichen Folkloreveranstaltung, die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung nicht zu einem naturgegebenen Zustand. Country Music ist weiß und eine die schwarze Bevölkerungsschicht ausgrenzende reaktionäre, scheinheilige Tanz- und Stimmungsmusik einer angeblich überlegenen, in Wahrheit intoleranten, bigotten Bevölkerungsgruppe, der nichts weniger im Sinn stand als den bestehenden Status quo zu verändern. Am Wochenende gab es Musik auf Festen, am Sonntag war man gottesfürchtig und ab Montag ging man Sklaven und arme Leute ausbeuten. Gods own country. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber es sind eben Ausnahmen.
Bei Country Music fällt auf, dass neben zweifellos auch vorhandenen anderen Tönen und Texten, sehr häufig und vor allem in den Anfangsjahren eine sehr beliebte, idealisierte, volkstümelnde Darstellung vom Leben, von Sorgen und Nöten der ‚kleinen Leute‘ besungen wurde. Dass es auch kritische Songs gab, ändert nichts an der Grundaussage. In vielen dieser Lieder werden miefig-kleinbürgerliche, ländliche, altmodische Ideale und überholte Wertvorstellungen besungen, wo Männer noch richtig harte Kerle sind und Frauen noch richtige (Haus)Frauen. Oder man machte auf Hobo-Romantik, Tagelöhner und Wanderarbeiter. Zwangscoole steife Manege-Clowns in Cowboyfransenhemden (Hank Williams), jodelnde Eisenbahner-Entertainer (Jimmie Rodgers) und weiße Westernbootsträger bzw. singende Cowboys in romantischen Kostümen (Tex Ritter, Roy Rogers, Gene Autry), die in der Regel mit Streichern und kitschig-triefenden Texten zugekleisterte, herzzerreißende Western- und Liebesgeschichten abspulten, sind kein Klischee, sondern waren die Realität von Country & Western Music. Während pudelfrisierte Landschönheiten, die mit Gitarre und recht ordentlichen Stimmen (Carter Family) von einer heilen Welt tirilierten, schufteten unter sengender Hitze ganze Familien, Mädchen und Jungen von acht bis achtzehn an der Seite ihrer Eltern auf Baumwollfeldern. I am bound for the promised land.
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