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Versuch einer Ehrenrettung von „Go West“: die Version der PSB war, als sie rauskam, subtiler, hintergründiger, gebrochener und auf eine seltsame Weise melancholischer als das, was die Fußballgröler dann daraus gemacht haben. Die Aufnahme ist zutiefst doppelbödig – zumindest kann sie so verstanden werden (dass man all die Hintergründe, versteckten Bedeutungsebenen und schillernden Traditionsbezüge, die durch PSB-Nummern klingen, auch ignorieren und die Lieder naiv mitsingen und goutieren kann – ist diese Möglichkeit der doppelten Lesart nicht gerade typisch für großen Pop?). Das „Go West“-Original der Village People war eine Aufbruchshymne der Schwulenbewegung, es spiegelte den Geist der 70er Jahre, als die schwule Subkultur glamourös aufblühte und noch nicht von Aids überschattet war und es tatsächlich so aussah, als lasse sich der „amerikanische Traum“ tatsächlich so weit entgrenzen, bis auch die vorher Ausgegrenzten selbstverständlich ihren Platz darin finden.
Und dann kommen die PSB und beschwören dieses Lied, dieses Bild 1993, als der Aids-Schock allgegenwärtig ist, als das Greenwich Village, nach dem die „Village People“ benannt sind, sich von einem Ort der wahr gewordenen Verheißung in ein „Stadtviertel der Beerdigungen und der wandelnden Leichen“ (Zitat Greil Marcus) verwandelt hat. Von naivem Zukunftsoptimismus, von der Idee, dass man alle Diskriminierung, alle Ausgrenzung einfach wegtanzen kann, dass jeder Mensch sein kann – so anders sein kann -, wie er will: davon erzählten die Village People auf eine zugegeben grotesk dick aufgetragene, kitschige, gekonnt peinliche Art mit ihren Liedern und Kostümen.
Und dann sangen die PSB dieselben Zeilen („Together we will fly so high, together tell all our friends good-bye“) – und eine abgründige Dimension tut sich auf: verzweifelte Hoffnung statt des naiven Zukunftsoptimismus, melancholische Sehnsucht nach einem bereits wieder vergangenen Utopia statt des euphorischen „Together we will start life new“-Glaubens der VP.
Nicht so ganz originär meine eigenen Gedanken übrigens: Was ich hier schreibe, stützt sich im Großen und Ganzen auf die Ausführungen von Greil Marcus in seinem Buch über Dylans LARS. Marcus sieht ja bekanntlich eine Traditionslinie, die von LARS zu PSBs Go West führt …
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