Re: Lloyd Cole

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dennis-blandford
Jaggerized

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„For me, “Lost Weekend“ remains one of the greatest Singles of the 80s”. Vielleicht hätte ich das beim Meet n Greet im Rahmen der Signaturaudienz von Lloyd Cole besser stecken lassen aber es musste raus. Zu genial ist dieser 85er Rockabillypop, den Langer/Winstanley seinerzeit so perfekt inszeniert hatte u. dessen „I wouldn’t say If I don’t mean it“ immer noch Gänsehaut erzeugt. „Hah, Thanks!“. Er lacht etwas überrascht aber auch spöttisch weil gerade er doch jemand ist, der nach der Commotions Ära 84-89 in eine andere, schwierigere Richtung gegangen ist u. dessen „dunkle Phase“ 90-93 u. die darauf folgenden Singer/Songwriter Platten doch gerade die Abkehr vom schimmernden Uptempo-Twang dieses kleine 45er Juwels sind.
Dabei hatte er zuvor zweieinhalbstunden alles richtig gemacht.
A carrespanning setlist ließ fast keine Wünsche offen, es sei denn man wartete z.B. auf den letzten Commotions Hit „From the hip“.
120 Stühle waren in der alten Mannheimer Feuerwache aufgestellt, von denen gut 20-30 unbesetzt bleiben würden, macht in der Summe 90-100 Gäste und das bei einem, der eigentlich 1.000 verdient hätte. Aber da geht es ihm wohl wie vielen Mittachzigerhelden (Edwyn Collins, Roddy Frame) die irgendwann mal große Brüche hatten u. ihre Popularität nicht konservieren konnten.
Er spiele vornehmlich in der Schweiz u. Deutschland weil das die einzigen Länder mit Geld seien. In England hätten sie nur ein paar kleinere Konzerte auf die Beine stellen können. Das ist natürlich Balsam auf die deutsche Seele. Wir erkaufen uns seine Anwesenheit durch wirtschaftliche Standfestigkeit. Welch ein Zynismus!
Überhaupt, wenn er ein paar seiner eher spärlichen Ansagen macht ist er immer immer etwas linkisch mit Seitenhieben auf sein fortschreitendes Alter (Gewichtszunahme u. graue Haare), was ihm im Moment auch noch Abend für Abend aufs Brot geschmiert würde, da sein 19-jähriger, spindeldürrer u. dunkelhaariger Sohn William ihm zur Seite stünde. Dieser grinst sich einen u. wirkt insgesamt wie eine Ausgabe von Keith Richards circa 1966. Sensationell! In der Pause raucht er auch draußen u. trinkt Bier, was der Daddy gar nicht gut findet u. ihn dafür augenzwinkernd öffentlich rügt. Sohn William ist sogar der heimliche Star des schwülwarmen Juliabends. Mit der jugendlichen Unbekümmertheit eins 19-jährigen rotzt er den ein oder anderen härteren Ton aus der Halbakustischen u. bekleidet den Vater auch sonst kongenial. „Mein Sohn William studiert in New York City u. Studieren in NY ist sehr teuer. Ich signiere nach der Show ALLES was sie wollen.“
Die beiden wirken wie ein Cambridge Folkduo circa 1970 u. der vollere u. vielschichtigere Gitarrensound entlastet Lloyd spürbar, wo er seit Jahren alleine, etwas in sich gekehrt seine sentimentaleren Stücke Feil bietet (Z.B. auf The Whelan – Live in Dublin 2008).
Egal was er aus den letzten 28 Jahren spielt, es ist ein Fluch! Denn größtes Entzücken stellt sich nun mal bei den Stücken von „Rattlesnakes“ u. „Easy Pieces“ ein obwohl die neuen Stücke von „Broken Record“ wunderbar sind. Obwohl er die allerletzten Hits „Like Lovers do“ von 1995 oder „Impossible Girl“ u. „No more love songs“ vom Negatives Album voller Inbrunst interpretiert u. trotz des famosen „Music in a foreign language“.
„Pay for it“ vom lange vergessenen „Don’t get weird on me babe“ war für mich der heimliche Highlight. Ein Traum für 2 Akustikgitarren mit enormer Tiefenschärfe. A huge hit nowhere. Manchmal klingt er sogar fast nach Al Stewart, der ebenfalls im Alter seine größten Gassenhauer als Akustik-Gitarrenduo zum Besten gibt. Coles Song vertragen diese abgespeckte Variante ebenfalls bestens, da sie skelettiert doch vor allem eines sind: Reine Folksongs.
In der ersten Get Happy Ausgabe 2011 hatte er sein Dilemma ja schon kurz beschrieben. Trotz des kleinen-großen Erfolgs von „Broken Record“ hat sich für ihn die Situation nicht verbessert. Neue Platten könnten wieder mit der pre-purchase-method vorfinanziert werden. Ein untragbare Situation für einen Künstler seiner Liga aber er arrangiert sich damit.
Wilander hatte bei seiner 2010er Besprechung von „Broken Record“ Recht. Coles Werk obwohl seit 95 irgendwie abgebrochen, gehört zu den verschlungensten u. gleichzeitig schönsten der Popmusik.
Was bleibt, ist ein sehr intimer, leiser Abend, der vollends ohne Publikumsanimationen auskam u. der einmal zeigt was wahre Künstler auszeichnet: Überragendes Songwriting.
Vielleicht hätte ich ihm das bei der Signatur sagen sollen…if only I had the nerves to.

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"And everything I know is what I need to know and everything I do's been done before."