Re: Die 10 besten Alben der 60er

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daniel_belsazar

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MikkoInteressante Liste, Daniel_Belsazar, die in ihrer Gewichtung schon überrascht.
Wenn Du ein paar Worte zur Begründung – oder besser vielleicht Erläuterung – schreiben könntest, würde ich mich freuen (und sicher auch andere).

Insbesondere die folgenden Alben überraschen ein wenig:

Fleetwood Mac – Then Play on
13th Floor Elevators – Easter Everywhere
Group 1850 – Agemo´s Trip to Mother Earth
Mandrake Memorial – dito
Mandrake Memorial – Medium
West Coast Pop Art Experimental Band – Part One

Danke für deine Nachfrage, Mikko, freut mich. Wer überrascht nicht gerne? Hier wie gewünscht ein paar Anmerkungen, weitere folgen später, sobald ich Zeit finde. Grundsätzlich ist die Gewichtung natürlich sehr persönlich, unter anderen Aspekten wie etwa musikalische oder historische Bedeutung würde sie natürlich zum guten Teil erheblich anders erfolgen.

Love – Forever Changes
Auf dieser Scheibe stimmt für meine Ohren und den dahinter stehenden Rezeptoren einfach alles. Zwingende Kompositionen, poetische Texte, eine menschlich nahe Stimme, hervorragende Arrangements, unter anderem mit sehr exakt akzentuierten und niemals überbordenden Bläser- und Streichersätzen – musikalisches Herz, was willst du mehr? Diese Platte begleitet mich seit 1979, einem für mich persönlichen „Summer of Love“, den ich wohl – hoffentlich – bis ans Lebensende erinnern werde.

Fleetwood Mac – Then Play on
Sehr überraschend finde ich wiederum, dass dies für dich eine Überraschung ist. Für mich eine der im Wortsinne ehrlichsten und sympathischsten Scheiben der letzten rund 50 Jahre. Die natürlich aber nicht erwähnenswert wäre ohne die musikalische Könnerschaft der Beteiligten, eine fundierte und fundierende Rhythmus-Sektion mit Fleetwood und McVie, auf der die drei Gitarren reiten, angeführt und gekrönt von dem besten E-Gitarrenton nach Hendrix – den von Peter Green. Und bisweilen denke ich, dass noch nicht einmal Hendrix so nah an spirituelle Quellen führt (obwohl …) – wenn es sie denn gibt oder man daran glauben möchte, sind sie im Greenschen Gitarrenspiel dieser Zeit jedenfalls zu finden. Kompositorisch ist „Then Play On“ zwar dem Blues verpflichtet, aber doch immer mit interessanten Randbegegnungen wie im Opener „Coming your way“ mit an Südamerika gemahnenden Rhythmen oder in „Oh Well“ mit klassisch anmutenden Streichersätzen angereichert, dann tauchen wieder treibende Jams wie die „Madge“-Exerpte und klassische Blues-Songs wie „Showbiz Blues“ auf. Textlich gefällt mir das Ungekünstelte, die schlichte Direktheit der Worte, die glaubwürdig und wahrhaftig wirkend Lebenssituationen der Musiker beschreiben. Da wird nichts überhöht oder verquast, sondern es wird einfach und aus dem Herzen gesprochen – in guter Bluestradition. Die mir hier – wohl durch Raum, Zeit und Sozialisation bedingt – deutlich näher steht als der Original-Blues. „Then Play On“ begleitet mich seit 1972 (da war ich 12) und ich habe diese Platte bis heute und immer wieder in wirklich jeder Lebenssituation mit Gewinn hören können – und derer gab es nicht gerade wenige unterschiedlichster Art.

13th Floor Elevators – Easter Everywhere
Diese Nennung ist, ich gebe es zu, vor allem einem Stück geschuldet. Obwohl es auch andere gute Stücke auf der LP hat, ist „Slip inside this house“ für mich ein derart intensives Monsterlied, dass es alles andere überstrahlt. Diese merkwürdig pluckernden Töne – ich glaube, es ist eine elektrifizierte „Singing Saw“ (?) – und die abgedrehte Stimme von Roky Erikson erzeugen einen Sog in andere Welten, dessen verführerischer Faszination ich mich einfach nicht entziehen kann. Und ich habe noch keinen Besuch in diesem Haus bereut, wenn du verstehst, was ich meine. Da ist wirklich Ostern überall, und die Hölle friert über.

The Rolling Stones – Beggars Banquet
Da mögen sich Berufenere zu äußern – was ja auch schon vielfach getan wurde. Da muss ich jetzt nix mehr hinzufügen.

The Velvet Underground & Nico – dito (Banane)
Das gilt auch hier.

The Jimi Hendrix Experience – Axis: Bold as Love

Ich empfinde die zweite Experience-Scheibe aufgrund der deutlich besseren Produktion gegenüber dem Debut sowie des stärkeren Songmaterials wie dem Titelstück oder Castles Made of Sand als die beste in den 60ern. Gegenüber Ladyland entscheidet für mich, dass ich die Konzentration auf die kleine Liedform einfach einen kleinen Tick lieber habe als die ausufernden Impros – die strengen mich nicht so an, vielleicht.

Group 1850 – Agemo’s Trip to Mother Earth
Ich illustriere es mit einem kleinen Seitenhieb und Exkurs in eine frühere Diskussion: Ich habe immer gedacht, dass diese Scheibe ein herausragendes Dokument der Psychedelic ist, ja im gewissen Sinn – vor allem die erste Seite – vielleicht sogar das typischste. Aber: Die holländische Kommunenband – so weit ich weiß, benannt nach ihrer Hausnummer – hat diese Acid-Musik 1968 aufgenommen, und da war ja, wie ich mich belehren lassen musste, „Psychedelic over“. Nun ja, das hatten die in den Niederlanden halt damals sehr offensichtlich nicht mitbekommen – lass mich mal ein „Gottseidank!“ anfügen. Die Originalscheibe kam im Klappcover mit einem 3D-Bild der Band und dazugehöriger Brille sowie etlichen optischen Gimmicks in einem Booklet. Das machte genauso viel Spaß wie die extrem farbige und intensive Trip-Musik – jedenfalls, wenn man … ehem … den „richtigen Zugang“ dazu hatte.

– Fortsetzung folgt demnächst in diesem Theater –

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The only truth is music.