Re: Headless Heroes – The Silence Of Love

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klienicum

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mittlerweile hat das album einige schleifen gedreht – die promoversion ist frisch und munter – und der positive erste eindruck hat sich nicht verflüchtet, eher verstärkt.

eddie bezalel gebar die idee, jedes jahr neu ein album aufzunehmen, das mit coverversionen bestückt sei. für die erste version erkor er das thema „liebe und herzschmerz aus sicht einer frau“ oder so ähnlich. der kollege hugo nicolson sollte ihm dabei zur seite stehen. da dieser ausreichend erfahrung mitbrachte (björk, radiohead usw.) und außerdem ungemein angetan war von der idee, stand den beiden lediglich im wege, die richtige sängerin zu engagieren.
dass alela diane bezalel angeblich via myspace über den weg lief, mag eine mär sein, zeugte aber von den unüberschaubaren möglichkeiten dieses zeitalters.
mit josh klinghoffer, woody jackson, joey waronker, leo abrahams und gus seyffert wurden zudem erstklassige musiker gefunden, keine hasenfüsse, keine grünschnäbel. die headless heroes waren beisammen.

die songauswahl ist erstklassig. der bogen wird weit gespannt. von den wiederentdeckten daniel johnston und vashti bunyan über die stets verehrten the jesus and mary chain bis hin zu den musikhistorisch gesehen jungspunden von i am kloot. linda perhacs, nick cave, jackson c. frank, große namen, die den staffelstab übergeben. und doch nur zehn tracks, ein stimmiges ganzes.

1. True Love Will Find You In The End (Daniel Johnston)
johnstons version kommt mit geschrubbelter gitarre aus. der sänger stösst darüber trunken die worte aus. alela und co. nehmen sich dieses klassikers mit bedacht an. die stimme der folkerin, die mit dem hier vorliegenden, im vergleich schon fast profanen liedgut neuland betritt, steht, umsäumt von verwobenem sound und einer im solo verhangenen driftenden gitarre, wie ein im regen postierter soldat. aufrecht, wacker, starr. kaum modulation und doch wirkungs- und druckvoll. denn den lyrics gibt es kaum etwas hinzuzusetzen.

2. Just One Time (Juicy Lucy)
auf „juicy lucy“ von 1969 findet sich der stupende schleicher der britrockband um glenn campbell. trompeten und perkussionsfinessen umsäumen den sphärischen klangkosmos, in dem alelas gesang unterzugehen droht. dennoch wird man der heiligen atmosphäre gewahr, die den song einst umwoben haben musste. alela gefällt im reigen, in der summsigen wiederholung und ist mit bleichem gesicht im wallenden gewand vorstellbar.

3. Here Before (Vashti Bunyan)
herrlich, wie sich „here before“ anschließt. es nimmt den faden des flüchtigen auf, wie wind, der in ein spinnenetz bläst. auf „lookaftering“ sparsamst dargebracht, präsentieren auch die headless heroes ein von allem ballast enthobenes lied, in dem alela diane der stimme etwas mehr raum gewährt. mehr als bis dato notwendig wurde. lichte höhen werden angedeutet, ein ‚als ob‘, ein antäuschen noch.

4. Just like Honey (The Jesus and Mary Chain)
der „psychocandy“ hit bekommt auf „the silence of love“ eine fast schon beschwingte note, die band in vollem ornat spult, alela klingt außergewöhnlich normal und doch wird man ihrer sangeskünste immer wieder gewahr. der klarheit der stimme, ihrer interpretativen stärke, ihrer variabilität, ihres unverwechselbaren ausdrucks.

5. To You (I Am Kloot)
„to you“ ist sicher ein ausreisser in der tracklist. doch wenn man weiß, mit welcher inbrunst i am kloot den opener ihres debuts live darbringen, dann rückt sich das lied im hiesigen zusammenhang zurecht. alelas dräuender gesang tut neben der krieseligen instrumentierung ihr übriges. es gelingt eine mehr als wohlfeile interpretation.

6. Blues Run The Game (Jackson C. Frank)
1965 aufgenommen ist „blues run the game“ ein song, den es in vielfacher variation zu hören gibt (u.a. sandy denny oder bert jansch). alela bleibt nah am original, die begleitende gitarre führt akzentuiert, aufgeräumt und dennoch nicht ohne verve durch das lied. mittig postiert erdet der track das vorliegende album. die begegnung mit alela diane auf einer neuen stufe ihres tuns wird mir hier bewusster denn je. obwohl “ blues run the game“ näher an ihrem eigenen werk ist als jeder andere song, spürt man das neuland unter ihren füssen.

7. Hey, Who Really Cares? (Linda Perhacs)
ein unscheinbares lied im original (1970 auf „parallelograms“), das seine faszination aus der stimme perhacs‘ gewinnt. eine gitarre, die gelassen begleitet, ein aufgeweckter bass, ein pfeifender synthi. alela versteigt sich nicht weniger gewagt, die gitarre vermittelnder, der bass versteckter, das panflötenartige rufen deutlicher.

8. Nobody’s Baby Now (Nick Cave)
1994 auf „let love in“ erschienen. von alela und den headless heroes ganz im geiste caves vorgetragen. „Ich liebte sie damals und ich schätze, ich lieb sie immer noch / Es ist ihr Gesicht, das ich sehe, wenn sich so eine gewisse Stimmung einschleicht / Sie lebt in meinem Blut, in meiner Haut / Ihr wilder Blick, ihr dunkles Haar / Ihre Lippen wie der Winter, kalt wie Stein / Ja, ich war ihr Mann / Aber es gibt Dinge, die sogar die Liebe nicht gewährt / Ich hielt ihre Hand, doch jetzt halte ich sie nicht / Ich weiß nicht, warum und ich weiß nicht, wie / Aber sie gehört nun niemandem mehr“. alela spürt verdrossen und doch unverwandt dem verlust nach.

9. The North Wind Blew South (Philamore Lincoln)
das stück stammt aus dem jahr 1970 und ist opener des gleichnamigen albums. textarm und doch bewegend wie alela über den streichern fleucht, schimmerig, fast schon psychedelisch.

10. See My Love (The Gentle Soul)
(song for greg) war der anhang für „see my love“, dem schwelgerischen song von pamela polland und rick stanley. alela diane changiert zwischen opernhaftem entweichen und dem flatterfröhlichen des schlager. irre. schön.

fazit: schwieriges terrain gemeistert. etwas spröde in der instrumentierung, wenig mutig in der ausstaffierung, aber nie langmütig und öd. alela diane: erstklassig.
auf fargo.

Alela Diane live, nicht verpassen, die nachholtermine:
01.11. Berlin – Babylon
02.11. Köln – Studio 672
03.11. München – Rote Sonne