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Joe R. Lansdale
Der Texaner hat in den 90er Jahren die
Hap-Collins-&-Leonard-Pine-Serie geschrieben (andere Bücher von ihm
habe ich noch nicht gelesen), insgesamt 6 Bücher.
Hap Collins: weiß, hetero, Kriegsdienstverweigerer. Leonard Pine: schwarz, schwul, Vietnamveteran. Die beiden Freunde schlittern mehr oder minder in Ereignisse hinein, bei denen sie es mit ganz schön üblen Bösewichten zu tun bekommen. Es geht nicht um die Lösung von Kriminalfällen, vielmehr begleiten wir die beiden bei ihren Abenteuern, die sich um vergrabene Schätze, Rassisten, Biker-Gangs und was sonst noch so in Texas sich tummelt, drehen.
Die Collins-Pine-Bücher sind im besten Sinne regionale Krimis, die das Ambiente geradezu spürbar heraufbeschwören. Fern vom üblichen Klischee der reichen Südstaatenfarmer haben die beiden aber als Angehörige der in prekären Arbeitsverhältnissen lebenden Unterschicht tatsächlich existensbedrohende Kämpfe zu bestehen. Wenn sie sich auf Schatzsuche begeben, dann auch, weil sie wriklich gerne das Geld hätten. Durch lebensechte Schilderung der Protagonisten bangt man im Laufe der Zeit um beide, und es wird ihnen oft genug richtig übel mitgespielt.
Es gibt beklemmede Gewaltausbrüche und hoffnungslose Gefangennahmen, harte Kämpfe und Rachefeldzüge. Sie stecken ein und teilen aus. Durch die soziale und psychische Motivierung der Protagonisten verkommt die Handlung nicht zu amüsanter Popcorn-Action, sondern ist als Kampf, oft um die nackte Existenz, aufwühlend und spannend. Die Unbehaustheit des Menschen in der modernen texanischen Gesellschaft, die bodenlosen Abgründe die sich auftun können, geben den Romanen einen besonderen Touch, der einen atemlos und beklemmt zugleich weiterlesen lässt. Oft fühlt man sich wie in Pulp Fiction versetzt, wo Bruce Willis gerade vor Marsellus Wallace flüchtend sich in den Laden rettet. Und da geht’s dann erst richtig los.
Unbedingt versuchen, die englischen Originale zu lesen. Die deutsche Übersetzung des ersten Bandes „Wilder Winter“ fand ich lange nicht so eindrucksvoll gelungen, wie das Original. Da Landsdale in einem sehr nüchternen Stil schreibt, ist das Englisch auch nicht all zu schwer geraten. Wie viele wirklich gute Schrifsteller lebt er von den Dialogen, die die Figuren erst plastisch werden lassen, gerade auch die Nebenfiguren (Ma MeeMaw z.B.). Die Lockerheit in der „Konversation“, die ja im amerikanischen ganz anders getönt ist, die vermisse ich in der deutschen Übersetzung sehr. Wenn Hap und Co. aufgrund der hölzernen Dialoge anfangen einen an Bienzle, Stöver und Sodann zu erinnern, dann geht das in die Hose. Dass funktioniert ja schon in deutschen Krimis nicht.
Wer harte Stories mit lebensechten Figuren mag,
wem No Country For Old Man eigentlich gefallen hat, wer aber die ganze Story etwas zu schwurbelig fand, z.B. aufgrund der küchentisch-philosophischen Betrachtungen des Sheriffs, aber die Figuren und das Setting an sich gut fand,
der kann es mal mit Landsdale probieren. Hap und Leo sind da auch irgendwo rumgelaufen, aber leider blieb die Kamera der Coens auf Tommy Lee Jones hängen und hat es verpasst, sich auf deren Fährte zu heften. Das hätte sich gelohnt.
Wichtig: Die Bücher der Reihe bauen inhaltlich stark aufeinander auf. Wer die Reihenfolge nicht einhält, der bekommt viel von den vorherigen Geschehnissen verraten. Wär ja schade drum.
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...falling faintly through the universe...