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Sonic JuiceHabe ich auch ähnlich empfunden, Friedrich. Für mich waren die interessantesten Stücke die Originalkostüme. Designs, Farben, Stofflichkeit aus der Nähe zu erfahren – das ist etwas, das in einer Ausstellung unmittelbar Sinn ergibt. Natürlich kann man sich auch an sonstigen Memorabila, Schriften und Reliquien erfreuen. Ansonsten: Die ganzen Videos schaut man sich besser in Ruhe auf Youtube oder sonstwo an und Infos über Bowies Leben und Werk bekommt man deutlich fundierter und mit gebotener kritischer Distanz aus Büchern und Zeitschriften.
Ja, so kann man das sagen. Es gibt in der Ausstellung eine Menge Stoff auf die Augen (und etwas weniger auf die Ohren), aber eine kritische Auseinandersetzung mit Bowies Leben und Werk bietet die Ausstellung nicht.
Ich habe es damals versäumt den Katalog zu kaufen. Kann man ggf. ja noch nachholen.
Hier noch mal der Hinweis auf die Website Bowie Golden Years. Eigentlich nichts weiter als eine Sammlung von Fakten – aber sie lässt immerhin das Lesen zwischen den Zeilen und den Bildern zu. Genau das ließ die Ausstellung überhaupt nicht zu. Da war jede Leerstelle zugestopft, so dass erst gar kein eigener Gedanke aufkommen konnte. Bowie als Event! Da gebe ich DD Recht: Die Ausstellung über den Showman Bowie ist selbst als Show inszeniert.
Dabei finde ich doch auch immer und gerade die Brüche im Leben und Werk solcher Lichtgestalten wie Bowie interessant, die schwierigen Persönlichkeiten, die Krisen, Abstürze und Wiederauferstehungen. Man muss sich nur mal vor Augen führen, dass der Treibstoff von Bowies Werk Mitte der 70er Kokain war, das ihn zu künstlerischen Höchstleistungen, aber menschlich an den Rand den Abgrunds trieb. Hätte er das nicht erkannt – und da muss man ihm Charakter und Selbstdisziplin attestieren – hätte er nicht in Berlin einen Neuanfang gewagt und geschafft. Oder der von mir so empfundene künstlerische (und qualitative) Bruch mit Let’s Dance 1983, die künstlerisch mageren Jahre von da bis kurz vor seinem Tod: Von all dem erfährst du in der Ausstellung gar nichts! Bowie wird dort als ein gut geschmiert laufendes Markenprodukt verkauft.
Bezeichnenderweise ging er selbst mit diesen Brüchen ja offen um. Seine Drogenprobleme, die von ihm als seine „Phil Collins-Phase“ empfundenen 80er Jahre etc. ff.
Schau dir die tollen Kostüme an, die Memorabilia und Reliquien, glaub den Ausstellungsmachern kein Wort – und dann bilde Dir aus der Distanz eine eigene Meinung!
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)