Re: ROLLING STONE März 2008

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wolfgang-doebeling
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KICKS ON 45 & 33

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nikodemusGut, dann auch ich. Den Dion Artikel fand ich ebenso interessant, zumal ich zwar einiges kannte, aber wenig über Dion wußte (dass Dion die Beatles scheiße und die Stones dufte fand ich, naja, unnötig, wieder ein mal).

Unnötig, wieder einmal, ist diese unbedarfte Beschwerde. Vom sechsstündigen Interview, das ich mit Dion führte, widmete er nicht von ungefähr fast eine halbe Stunde dem Phänomen der British Invasion. Weil das eine ungeheuerliche Zäsur war für die gesamte Popwelt Amerikas und natürlich vor allem für die erfolgsverwöhnten Stars. Die Karten im Poker um den Charts-Ruhm wurden damals neu gemischt, den amerikanischen Pop-Idolen wurden nur noch ausnahmsweise Asse zugeteilt. Dion verstand die (Musik-)Welt nicht mehr. Und die grassierende Beatlemania unter Backfischen schon gar nicht. Für ihn war das hysterischer Kinderkram. Und wer sich mal die Songtexte der frühen Fabs vergegenwärtigt, wird das auch problemlos kapieren, sogar wenn man sonst keinen Schimmer von den Dichotomien jener Zeit hat. Und natürlich stand Dion als Blues-informierter Twen den Stones tausendmal näher. Was denn sonst? Die LP „12×5“ hat er wochenlang nicht vom Plattenteller genommen. Man hätte locker sechs Seiten im Heft füllen können mit seinen Einlassungen zu dieser Ära, die nicht nur für seinen musikalischen Werdegang weichenstellend war. Ich musste das mangels Platz auf ein paar wenige Zeilen eindampfen. Und selbst die sind „unnötig“ und zeitigen nur ein „mildes Lächeln“? Weil die Vorzeichen nicht zum Geschmäckchen passen wollen? Wie ignorant und anmaßend.
Dion saß mir übrigens mit der Gitarre auf dem Schoß gegenüber und pflegte seine Erzählungen und nicht selten vernichtenden Urteile über „Kollegen“ bisweilen musikalisch zu kommentieren. Dann griff er in die Saiten und sang zum Beispiel ein Exzerpt aus einem Beatles-Song. Allein die Beschreibung seines Mienenspiels dabei wäre mehr als die 10, 12 Zeilen wert gewesen, die ich für den ganzen Komplex Beatles/Stones erübrigen konnte. Köstlich.
Aber vielleicht sollte ich bei den nächsten Gesprächen das gesamte Thema tunlichst meiden oder nur noch dann im Artikel zur Sprache bringen, wenn das Gegenüber anno ’64 die Beatles präferierte. Es müsste freilich eine Frau sein, die seinerzeit Teenie war und nicht Patti Smith heißt oder Chrissie Hynde oder…ich geb’s auf.
Lustig in diesem Zusammenhang: ich sprach vor einigen Tagen mit Pegi Young, Neils Gattin. Ausführlich auch über die British Invasion, weil das ihr musikalisches Erweckungserlebnis war. And guess what: die Beatles fand sie blöd. Sie fand ihre Freundinnen blöd, deren Jungmädchenzimmer Beatles-Poster zierten. Sie liebte die Stones. „They scared me“, so Pegi, „but they changed my life, I grew up in a hurry“. Keine Angst, darüber wird kein Wort im nächsten Heft erscheinen, es wird sich niemand über „unnötige“ Informationen beschweren oder gar „milde lächeln“ müssen. Cheers.

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