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Radio Pandora unplugged
Mir gefällt die Offenheit auf Anhieb besser und deshalb beginne ich mit der Unplugged-Scheibe. Etwas zwiespältig halte ich die Masche, unabhängig von der Musik, für einen Trick, dem Hörer alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Ich habe immer die größten Befürchtungen, wenn bereits im Vorfeld über die beste Platte seit der Erfindung von geschnittenem Brot berichtet wird. Sicherlich bin ich immer noch von BAP-Virus infiziert, versuche aber, Erwartung und Vergangenheit auszublenden, was ja nur leidlich gelingen kann, wenn man die Band seit den frühen Anfängen begleitet.
Die ersten Songs überraschen mich dann doch, denn Wolfgang Niedecken singt mit einer nur selten erreichten Zerbrechlichkeit. Gerade zu intim raunt er bei „Magdalena (weil Maria hatt ich schon)“ und „Enn ´ner Naach wie der“. Beim Blick ins Bootleg erfährt man etwas über die Entstehung und wer für die Songs verantwortlich zeichnet. Die Texte sind natürlich alle von Niedecken, der diesmal darauf verzichtet hat, sie in kölsch aufzuschreiben. Stattdessen gibt es gleich die hochdeutsche Übersetzung. Bei der Musik durften alle (zwei Dylan-Cover-Versionen „Senor“ und „Jed Körnche Sand“ ausgenommen) mal etwas beisteuern. Die Texte bewegen sich auf bekanntem Niveau und lesen sich in Verbindung mit den Erläuterungen wie musikalische Tagebucheinträge. Mal gefühlvoll beschrieben, dann mit Bildern angefüllt oder wie Selbstgespräche reflektiert. Wo in den frühen Songs noch etliche Umgebungsbeschreibungen Strophen füllten, bleibt jetzt nur die Kargheit der Situationen. Den Rest muss man sich denken. Die Eindrücke, die Niedecken hier vermittelt, sind, wenn man nicht an den gleichen Orten war, nur ansatzweise nachzuvollziehen. „Noh Gulu“ ist thematisch sicherlich der schwierigste und bedrückendste Text. Es gibt auch wieder biografische Bezüge. Am deutlichsten in „Dä letzte Winter em letzte Kreech“, der auf einer wahren Geschichte beruht und in dem Niedeckens Großvater die Hauptfigur spielt. Da es sich ja um Pandoras Schachtel handelt, in der zum Schluss nur noch die Hoffnung übrig blieb, kommt man schnell auf den Bogen, der bildhaft geschlagen wird. Bei aller Melancholie, die es bei „Frankie und er“ und „Morje fröh doheim“ gibt, bleibt nichts aussichtslos. Die Geschichten gehen nicht zwangsläufig gut aus, doch geben sie Hoffnung.
Meine besonderes Augenmerk gilt jetzt der Musik, die früher oft genug nur ein starres Gerüst für die Texte war. Auf dem Unplugged-Album wirkt sie ungezwungen und entspannt. Sie gibt den Texten Raum und erinnert an alte Meister. Nicht zuletzt durch das Mitwirken von Anne de Wolf, die mit ihrem Geigenspiel erfrischt und dem Sound eine ganz besondere Note gibt. Alle Songs sind nur marginal kürzer als vier Minuten. Die meisten sind um fünf Minuten. Wer jetzt aber an Zeitspiel denkt, wird eines besseren belehrt. Wie eine Session-Band ist jeder Ton wichtig. Es gibt keine musikalischen Andeutungen mehr, sondern gesetztes Songwriting. So wird man an alte Großtaten erinnert, aber hier klingt es endlich auskomponiert, wie beispielsweise das jazzige „Wa´ss loss met dä Stadt?“. Im letzten Drittel der vierzehn Songs wird die Band leiser und bittet ums zuhören. Den Abschluss bildet dann die bereits erwähnte und als Epilog ausgezeichnete eingekölschte Cover-Version von Dylans „Every Grain Of Sand“.
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Das fiel mir ein als ich ausstieg.