Re: Graphic Novels

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latho
No pretty face

Registriert seit: 04.05.2003

Beiträge: 36,937

FriedrichIch habe die Kritik an dem Zustand von Marc-Oliver Frisch jetzt nur mal überflogen. Da ist natürlich was dran, wenngleich ich seine Pauschalkritik an Büchern wie Kleist’s Der Boxer und Schwartz‘ Packeis nicht teile.

Ich auch nicht, ich mag beide, Der Boxer finde ich sogar sehr gut (gewinnt auf jeden Fall, wenn man ihn nicht online in Häppchen liest). Aber die Grundrichtung der Kritik (an der Comic-Kritik) fand ich ok.

Friedrich
Bei Kiesgrubennacht drängte sich mir dieser Verdacht auf: FAZ? Suhrkamp Verlag? Nazivergangenheit? Da müssten eigentlich schon die Alarmglocken schrillen. Denn wer da die Zielgruppe ist, dürfte damit klar sein. Jedenfalls scheint sich diese Zielgruppe weniger aus gewohnheitsmäßigen Comic Lesern zu rekrutieren, sondern vielmehr aus Lesern der FAZ und des Suhrkamp Verlags, der ja meint, Romanvorlagen als Comics adaptieren zu müssen. Da wird wohl tatsächlich das „ernstzunehmende“ Thema bewertet, nicht die Art wie es als Comic erzählt wird. Und damit scheitert Volker Reiche in meinen Augen. Die Erzählung funktioniert nicht und seine Charaktere bleiben flach und eindimensional. Beinahe hätte ich gesagt – und das ist jetzt zweimal ironisch um die Ecke gedacht: sie bleiben „comichaft“.

Es bleibt eben dabei: in Deutschland wird Comic mit dem „komischen“ Inhalt gleich gesetzt. Der Versuch ins Feuilleton einzubrechen wird von den Verlagen seit Jahr und Tag probiert und so langsam (mit dem Generationenwechsel in den Redaktionen) funktioniert’s auch. Aber alte Vorurteile sind hartnäckig und wie gesagt – es wird sich ja zumeist auf die Handlung oder das Thema konzentriert, nicht auf die Kunstform an sich.

Friedrich
Understandig Comics habe ich nie gelesen. Ist ja wohl ein Klassiker. Aber vielleicht brauche ich das als jemand, der schon im Grundschulalter mehr Comics als Bücher gelesen hat, auch nicht.

Doch, doch. Sollte jeder gelesen haben, lohnt sich.

Friedrich
Danke! Wie ich das Verhältnis von FAZ/Suhrkamp < -> Comic < -> Publikum einschätze, habe ich ja oben geschrieben. Du bestätigst das eigentlich. Steven Appleby kenne ich leider nicht. Ich frage mich, warum die FAZ meint, Comic Strips mit „Literaturrätseln und Thomas-Mann-Referenzen“ veröffentlichen zu müssen. Die klassischen Tageszeitungen-Strips sind doch eher Peanuts oder Calvin & Hobbes, die ihre eigene Art von Witz und Geist haben, ohne einer „hochkulturellen“ Absicherung zu bedürfen. Aber das verstehen viele Nicht-Comic Leser offenbar nicht. Sie verstehen ja nicht einmal, dass das keine Strips für Kinder sind, nur weil Kinder dort die Hauptfiguren sind. Ich behaupte ja oft und gerne, dass man idealerweise mit Comics aufgewachsen sein sollte, um sie lesen und beurteilen zu können.

In der Literatur gilt das aber nicht, oder?

Friedrich
Kleists Boxer ist gut, auch wenn Marc-Oliver Frisch den in seiner Kritik der Comic Kritik mit vielen anderen pauschal verreißt. Über Sinn und Zweck, eine literarische Vorlage als Comic zu adaptieren kann man sicher streiten. Ich würde Dir Reinhard Kleists Johnny Cash Biographie I See A Darkness empfehlen, falls du die noch nicht kennst. Für mich das beste von Kleist, jedenfalls von dem, was ich kenne.

Ich kenne den Cash-Comic, in einer Kleist-Ausstellung hing der mal komplett aus. Ich mag Der Boxer lieber, weil Kleist da auch auf Eisner zurückgreift und das weniger „machohaft“ präsentiert.

Napoleon DynamiteDas ist meiner Meinung nach aber ein etwas grobes Vorurteil gegenüber dem Suhrkamp Verlag. „Alte Meister“ oder „Der Mann ohne Eigenschaften“ von Mahler sind z.B. alles mögliche (vor allem großartig), aber ganz sicher nicht bildungsbürgerliche Peergroups ansteuernde Roman-Adaptionen.

Mahler ist bei jedem Verlag großartig.

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.