Re: Graphic Novels

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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lathoIch habe Kiesgrubennacht nicht gelesen, aber mein Bruder berichtete ähnliches wie du.

Danke für Deine – wenn auch knappe – Rückmeldung. Aber wenn Du Kiesgrubennacht nicht gelesen hast, kannst Du natürlich auch nichts dazu sagen. Ich hatte schon befürchtet mich etwa zu lang gefasst zu haben und damit Leser abzuschrecken. Aber es fällt mir halt viel dazu ein und selbst über eine misslungene graphic novel kann man viel sagen. Es ist mir völlig rätselhaft, wieso Kiesgrubennacht von der Kritik so gelobt wird. Allein schon deswegen war es mir ein Bedürfnis meine Meinung dazu zu sagen. Bei ebay hat KN immerhin noch € 10 gebracht.

lathoWas graphic novel angeht: den Begriff hatte Eisner ja benutzt, um sich von den comic books, also den Heften, abzugrenzen. Comic books waren monatliche Hefte mit immer wieder auf Null zurückgesetzten Handlungen. (…). Der Begriff selber geistert ja schon länger durch die Comic-Geschichte. Problematisch war er immer, denn was umfasst der Begriff eigentlich? Eisner dürfte Länge (länger als ein 20- bis 30-seitiges Heft) aber auch den Inhalt (keine Superhelden) gemeint haben, aber da gehen die Probleme schon los. (…) Zum Inhalt: heute werden auch Watchmen von Alan Moore / Dave Gibbons dazugezählt (gegen den Willen Moores) und Watchmen ist bekanntlich superhero-stuff (wenn auch dekonstruierend).
Wenn man heute schimpft, dass graphic novel nur als Marketing-Begriff benutzt wird, vergisst man allerdings, dass Eisner den Begriff wahrscheinlich auch genau deswegen eingeführt hat – er kannte ja das Business und wie man Comics bewirbt. Ich gestehe aber, dass ich den Begriff auch schon gebraucht habe, um lange zusammenhängende Werke, die einen Anfang und ein Ende haben, zu charakterisieren, aber eine gültige Definition könnte ich auch nicht liefern.

Wer könnte das schon? Aber versuch doch mal den Begriff Roman zu definieren:

Wikipedia:

(Es ist) schwierig, den Roman eindeutig zu definieren, da er zum einen in der antiken Diskussion über literarische Formen nicht erwähnt wird und zum anderen (bis heute) viele unterschiedliche Einflüsse auf die Romanproduktion (…) einwirken. (…) Daraus resultieren zwei für die Definition des Romans wichtige Grundannahmen. (Der Roman) wird erstens als Synthese verschiedener Gattungen aufgefasst, da es außer dem Prosakriterium kaum formale Vorgaben gibt (…). Und zweitens ist der Roman aufgrund seiner Offenheit gegenüber anderen Formen und Genres einem stetigen Wandel unterworfen (…).

Alles klar? ;-) Dennoch wird der Begriff Roman völlig selbstverständlich gebraucht. Ich sehe gerade, die FAZ hat jetzt sogar den Begriff [I]Comic Roman erfunden – als Übersetzung des französischen bédénovela. Das hält die FAZ wohl für besonders originell, obwohl im Französischen wohl auch der Begriff roman graphique gebräuchlich ist. Ulkigerweise wird dieser FAZ-Comic Roman aber in Episoden von der Länge einer Seite veröffentlicht, die außerdem noch von jeweils anderen Zeichnern gestaltet werden. Na denn …

Superhelden sind ein Genre, keine literarische Gattung und daher können Watchmen oder Batmann Year One und The Dark Knight Returns gleichzeitig superhero stuff und meinetwegen Graphic Novels sein. Es kommt mir nicht auf den Begriff an. Es geht mir um „lange zusammenhängende Werke, die einen Anfang und ein Ende haben“, wie Du schreibst. Ich glaube damit kann man schon ganz gut arbeiten.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)