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Dinge, die selig machen: Ein frisch bezogenes Bett. „Minnie and Moskowitz“. Umarmungen unter Wasser. Und seit gestern: Bill-Callahan-Konzerte. Egal wie klein, gedrängt und stickig die Halle ist (und das ausverkaufte Lido war gleich alles drei): Callahans von Elementarbildern nur so überquellende Songs eröffnen einen weiten Naturraum, in dem die Instrumente die Rollen von Flora und Fauna übernehmen. Da quakt der Kontrabass wie ein Frosch, tiriliert die Violine vogelgleich, und aus der Rassel dringt Grillengezirp. Die Gitarre scheint aus dem Holz jenes Baums gemacht, der in „Sycamore“ besungen wird, in den Drums wohnt das steinerne Beben aus „Say Valley Maker“. Callahan selbst als brummender, tanzender Bär mittendrin. Wunderbar zu beobachten, wie die Töne, bevor sie seinen Mund erreichen, erst durch seinen gesamten Körper wandern müssen: von den Beinen – die ihn mal vorwärts, mal rückwärts, mal im Kreis über die Bühne führen, schlottern, auf der Stelle marschieren, in die Hocke gehen lassen – bis zur Gesichtsmuskulatur, die ständig den seltsamsten tektonischen Verschiebungen unterworfen ist.
Das Konzert beginnt sanft und heiter mit meinem „Supper“-Favoriten „Our Anniversary“: Eine flüchtige Fluchtphantasie, „to hotwire and hightail crosses my mind“, aber das Auto bleibt in der Garage, denn zu Hause ist es schön. Strike one, denke ich, um sogleich vom heftig groovenden „Diamond Dancer“ auf die Füße geholt zu werden. Doppelschlag! Nein, Hattrick: Beim Kofferpackspiel von „Too Many Birds“ steht mir bereits das Wasser in den Augen. Der Abend ist gerade mal drei Songs alt. Das kann ja was werden. Ich höre auf, die Highlights zu zählen, denn: da ist nicht eine einzige Unebenheit in einem Set mit perfektem Spannungsbogen. „Cold Blooded Old Times“ artet in einen wilden Jam aus, Bill zerrt im Schneidersitz ein halbes Universum aus der Gitarre. „I bought this guitar to pledge my love to you“, heißt es später trefflich in „Rock Bottom Riser“, meinem emotionalen Zentrum des Abends. Fortan beschleicht mich ein ziemlich kitschiges Ganzheitsgefühl, ich fühle mich geborgen im raumgreifenden Sound (den Bill immer mal wieder feintunen lässt, obwohl vom ersten Ton an alles stimmt) und im Schweißdampf der anderen, wie in einem Kinderbett. Die Musiker tropfen und bestellen frisches Wasser, das Publikum explodiert nach jedem atemlos belauschten Song aufs Neue. Bill taxiert halb nachdenklich, halb ironisch die Menge und schlussfolgert: „I think you’re pretty nice. First impression. I like you.“ Herzenswärme katapultiert die Temperatur vollends durch die Decke.
Die inspirierte Lichtregie taucht die Bühne häufig in ein sattes Blaugrau, das Dario Argento wohl als Hintergrund für extra grelle Morde verwendet hätte. Passend dazu: blutrotes Stroboskop, etwa beim völlig entfesselten Zehnminüter „Let Me See the Colts“. Ganz zum Schluss, nach einem konzentrierten Showcase des neuen Albums, übernimmt Callahan selbst das Kommando, lässt eine Lampe nach der anderen ausschalten, bis nur ein einzelner Kegel das Drumset beleuchtet, „yellow, like chicken“ (so wie die Sonne in Dylans „Tombstone Blues“). Infernalisch versinkt der Abend in „Bathysphere“ und hinterlässt ein ekstatisches Publikum, das, obwohl Hallenlicht und Retortenmusik längst wieder laufen, noch zehn Minuten wie verrückt stampft, kreischt und applaudiert. Erhört worden sind wir zwar nicht mehr, trotzdem habe ich beim Hinaustrudeln nur glückliche Gesichter gesehen. Auf dem Heimweg murmelte mein Begleiter: „Am liebsten wäre ich gleich da eingeschlafen, es war genau die richtige Stimmung dafür.“ Er nahm mir die Worte aus dem offenen Mund.
Ungefähre Setlist:
Our Anniversary
Diamond Dancer
Too Many Birds
Sycamore
Cold Blooded Old Times
Eid Ma Clack Shaw
Say Valley Maker
Rock Bottom Riser
Let Me See the Colts
Rococo Zephyr
Jim Cain
All Thoughts Are Prey to Some Beast
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The Wind and the Dove
Bathysphere--
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WerbungSehr schön beschrieben! Schade, dass ich noch kein Berliner bin.
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Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT]Ein wunderbarer Bericht, EG, der mir aus dem Herzen spricht.
Ein wirklich traumhafter Konzertabend.
Nur in einem mag ich widersprechen: ich denke, das Lido war ein sehr, sehr passender Rahmen für Bill Callahans Musik. Und so stickig war es in der ersten Reihe nicht.Eine kleine Ergänzung noch: vor dem Konzert beäugte ich noch, das Geld in der Tasche zählend, die breit ausgelegten LP’s, und sah beruhigt, dass auch in Kisten noch diverse Exemplare lagerten. Nach dem Konzert waren alle bis auf 2 verkauft, sorry Hamburg und Köln.
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so little is funIch bin mit Callahans Musik nicht vertraut, aber der Bericht ist mehr als wunderbar. Danke, das macht die baldigen Kaufentscheidungen direkt leichter.
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Hold on Magnolia to that great highway moonSehr schöner Bericht, ich wünschte ich wäre dabei gewesen. Auch eine tolle Setlist
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and now we rise and we are everywhereElston Gunn „Am liebsten wäre ich gleich da eingeschlafen, es war genau die richtige Stimmung dafür.“
Ich bin mal bei einem Lambchop Konzert eingeschlafen und zwar aus Langeweile. Aber dein Freund hat das wohl anders gemeint…
Schön, dass er mit Band aufgetreten ist. Bei youtube gibts auch solo Auftritte von ihm mit Lieder von seinem neuen Album. Mit kompletter Band stell ich mir das aber um einiges besser vor.
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UDWNur in einem mag ich widersprechen: ich denke, das Lido war ein sehr, sehr passender Rahmen für Bill Callahans Musik. Und so stickig war es in der ersten Reihe nicht.
Das kam dann falsch rüber: Das Lido ist so ziemlich meine liebste Konzertlocation in der Stadt, und wenn der Laden brummt, freut’s mich. Luft war gestern (zumindest in der 4. Reihe) aber echt rar gesät, eine Freundin von mir musste zwischendurch raus, weil ihr schon schwarz vor Augen wurde. Kommt wohl auf die jeweilige Konstitution an.
Bruder MichaelIch bin mal bei einem Lambchop Konzert eingeschlafen und zwar aus Langeweile. Aber dein Freund hat das wohl anders gemeint…
Ja, schon. :lol: Konkret bezog sich der Satz übrigens auf einen Straßenmusikanten, der in der Bahn heimwärts „I Will Survive“ auf einer Kindertröte spielte. Das stört die Magie des Moments dann schon empfindlich…
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Elston GunnWunderbar zu beobachten, wie die Töne, bevor sie seinen Mund erreichen, erst durch seinen gesamten Körper wandern müssen: von den Beinen – die ihn mal vorwärts, mal rückwärts, mal im Kreis über die Bühne führen, schlottern, auf der Stelle marschieren, in die Hocke gehen lassen – bis zur Gesichtsmuskulatur, die ständig den seltsamsten tektonischen Verschiebungen unterworfen ist.
Wunderbar beschrieben!
Auch das Konzert am 10.8. in der Schorndorfer Manufaktur war phantastisch.
Nur war uns nach „nur“ fünfminütigem Stampfen und Klatschen eine zweite Zugabe vergönnt.--
"Bird is not dead; he's hiding out somewhere, and will be back with some new shit that'll scare everybody to death." (Charles Mingus)Ja, der Abend im Lido war grandios. Wenn man von den klimatischen Verhältnissen absieht. Es scheint, als hätte Callahan es geschafft, eine Art Popstar zu werden (und wenn es nur für diesen einen Abend war). Eine derart begeisterte Menge konnte ich jedenfalls bei einem Callahan Gig bisher noch nicht ausmachen.
An der Setlist gibt es in der Tat fast nichts zu beanstanden, lediglich „Sycamore“ fand ich nicht ganz gelungen, was aber in erster Linie daran liegt, daß ich den Song nicht sonderlich mag.
Man merkte, daß die Band gut eingespielt ist. Sehr schön kamen die Streichinstrumente zum Einsatz. Und Bill sang phantastisch – was auch sonst?!Danke für den treffenden Bericht, Elston Gunn!
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If you try acting sad, you'll only make me glad.In der Schorndorfer Manufaktur (Montag 10. August 2009) spielte Bill Callahan mit vier Musikern (drei + eins) seine fünfzehn Oden zwischen Kurt Wagner und Lee Hazlewood von 22:05 Uhr bis 00:07 Uhr.
Bedauerlich für alle mit öffentlichem Nahverkehr angereisten, denn nach den Zugaben war der letzte Zug (S-Bahn) schon abgefahren …
Der Konzertabend /-nacht war ein Erlebnis!!!
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Prodigal SonEs scheint, als hätte Callahan es geschafft, eine Art Popstar zu werden (und wenn es nur für diesen einen Abend war). Eine derart begeisterte Menge konnte ich jedenfalls bei einem Callahan Gig bisher noch nicht ausmachen.
Den gleichen Gedanken hatte ich gestern Abend beim Kölner Konzert. Aber nicht nur das Publikum war wie ausgetauscht, auch Callahan selbst rang sich ungewohnt viele Worte ab, begleitet von entspannten Gesichtszügen und Witzeleien. Selbst seine zahlreichen Gesten wirkten an diesem Abend nicht so mechanisch, mehr liebevoll-leidenschaftlich.
Aber bevor ich abgleite zur Psychoanalyse: Ein sehr schönes Konzert, wenn ich auch den Gig von vor einem Jahr noch besser in Erinnerung habe. Das liegt aber unter anderem an dem Sound der Location. Einerseits ließ der Stadtgarten auf Grund seines begrenzten Raumes einen doch recht intimen Rahmen zu, andererseits klang manch ein Instrument (besonders die ansonsten sehr gut gespielten Drums) recht stumpf, so dass manch weitfläufiger Song wie „Our Anniversary“ oder „Rococo Zephyr“ nicht seine nötige Atmosphäre entfalten konnte. Auffallend war, dass gerade die Stücke des neuen Albums zum Teil deutlich entschleunigt wurden, was mir vor allen Dingen bei „The Wind And The Dove“ gefiel, weniger beim etwas langatmig geratenen „Too Many Birds“.
Neben dem erfuhr praktisch jeder Song an diesem Abend eine Veränderung, sei es auch nur eine stimmliche Spitze, ein langgezogener, nicht zum Ende gebrachter Refrain oder eine Umstrukturierung zu mehr Rock’n’Roll und dafür weniger Kontemplation. Auch „Bathysphere“ in einer fließenden, ryhthmischen Version, die sich mehrmals lautstark zuspitzte zog mich nach anfänglichen Zweifeln in seinen Bann.
Die Setlist glich ansonsten der Berliner, mit ein paar Verschiebungen nach hinten und nach vorne. Nur hatte unser anhaltener Applaus nach der ersten Zugabe mehr Erfolg. Nachdem schon mehrere Personen gegangen waren, ließen sich Callahan und Band doch noch mal blicken, spielten eine fast stillstehende Version von „Sycamore“ und zum Schluß ein wahrlich traumhaftes „In The Pines“.
Mein Highlight war (neben dem gerade genannten „In The Pines“) übrigens das gleiche wie beim letzten Konzert – „Let Me See The Colts“ beeindruckte auch dieses Mal durch seine Länge, in der die Band weniger gebunden schien und sich mehrfach subtil ausprobieren konnte. Um dann letztlich wieder zurückzukehren zum gleichbeidenden Rhythmus und Melodie. Dieses Mal geriet das auf Grund der oben genannten Sound“probleme“ weniger weitflächgig, aber nicht minder fasziniernd.Ansonsten kann man vieles, was gestern Abend in Köln passiert ist, auch beim schönen Bericht von Elston Gunn ablesen. Nur eine Sache noch, ganz exklusiv: Callahan verabschiedete sich mit den Worten „…best audience so far“. Fein.
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detours elsewhereMir wurde auch schon vom krassen Unterschied zur letzten Tour berichtet. Offensichtlich wurde Callahan inzwischen durch ein gestaltwandelndes Alien ersetzt oder so ähnlich. Schade, dass ich nicht dabei sein konnte, nachdem doch etwas kargen Auftritt in Frankfurt hätte ich gerne mal den anderen Callahan erlebt.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75Mir wurde auch schon vom krassen Unterschied zur letzten Tour berichtet. Offensichtlich wurde Callahan inzwischen durch ein gestaltwandelndes Alien ersetzt oder so ähnlich. Schade, dass ich nicht dabei sein konnte, nachdem doch etwas kargen Auftritt in Frankfurt hätte ich gerne mal den anderen Callahan erlebt.
Hrrmpf, müssen wir das schon wieder ausdiskutieren?
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Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT]Declan MacManusHrrmpf, müssen wir das schon wieder ausdiskutieren?
Nein. Außerdem: „etwas karg“ – das ist doch wirklich nicht übertrieben.
Aber vetrauenswürdige Quellen berichteten aus Stuttgart fast überrascht, dass Callahan gut gelaunt und offen schien. Das war in Frankfurt ja vollkommen anders. Und auch das Publikum scheint man ausgewechselt zu haben. Ist doch schön, ich wäre gerne dabeigewesen.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.nail75ich wäre gerne dabeigewesen.
Ich auch! Aber im Gegensatz zu dir fand ich auch das letztjährige Konzert sehr toll.
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Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT] -
Schlagwörter: Bill Callahan, Konzerte, Smog
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