Re: Wider den Lautheitswahn: Das ausführliches Interview mit Eroc jetzt online!

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ah-um

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Sonic JuiceIch kann aus Deinen Ausführungen nicht so recht Deinen eigenen Standpunkt filtern. Wenn ich lese: „was da eigentlich nicht hingehört“, dann klingt das so, als seiest Du auch diesem, von Dir zitierten klassischen Hifi-Ethos verbunden. Ist das so?
Diesen Ethos, falls er denn heute noch so vertreten werden sollte, kann ich nicht folgen, da er nach Deiner Schilderung ja ablehnend gegenüber jeder künstlerischer Manipulation vermeintlich „natürlicher“ Klänge stünde. Eine solches Beharren auf Klangauthentizität ist mir in Zeiten elektrischer und elektronischer Instrumente und Produktionsmittel nicht verständlich, wo die Manipulation eben auch bewusstes künstlerisches Ausdrucksmittel sein kann. Selbst bei rein akustischen, analogen Aufnahmen: Mir scheint, dass die möglichst naturgetreue, neutrale, dreidimensionale Simulation eines Tons per aufwändiger Aufnahmetechnik letztlich mit deutlich mehr Manipulation des Hörers arbeitet als eine LoFi-Mono-Aufnahme per DAT-Recorder auf dem Hotelzimmer.

Anhänger der reinen Lehre bin ich nur, wenn es opportun erscheint.;-)
Wie du selbst andeutest: Popmusik ist für die strenge Audiophilie sowieso verloren. Wegen der elektrischen und elektronischen Schallerzeugung, wegen standardmäßigen Einsatzes verschiedenster Effekte, wegen bewusst manipulativer Abmischung etc. In der Tat bedeutet dies aber auch einen Gewinn an künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten. Es ist dies geradezu ein Wesensmerkmal der Popmusik.
Es geht also gerade nicht darum, dem Hörer die Aufnahme möglichst naturbelassen so durchzureichen, dass er im Optimalfall die Musiker bei sich im Wohnzimmer sitzen glaubt. (Deinem letzten Satz kann ich allerdings nicht zustimmen: Eine wirklich audiophile Produktion arbeitet zwar mit sehr hochwertigen, aber eher wenigen Gerätschaften und hält sich so gut es geht zurück: wenig Mikrophone, wenig Mixing usw.)
Deshalb finde ich es idR fehl am Platz, sich über angeblich schlecht klingende Pop-Aufnahmen zu ärgern. Weil Audiophilie dieser Musik nicht gemäß ist. Da wird der Verlust einer Klangkultur beklagt, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat. Pop war und ist fürs Küchenradio und die Disco.

Wenn man sich allerdings allerdings den guten Klang auf die Fahnen schreibt, muss man eines berücksichtigen: „guter“ Klang im Sinne der Hifi-Maxime ist nicht ein „warmer“, „charaktervoller“ Klang, sondern ein möglichst eigenschaftsloser Klang. Das einzige, was klingen soll, sind die Instrumente. „Wärme“ ist dabei – ebenso wie Kühle – kein Vorzug, sondern vielmehr ein Makel. Auch der „schöne“ harmonische Klirr einer Röhre ist eben Klirr und damit ein Störgeräusch. (Wobei man nach dem oben Gesagten nochmals differenzieren muss: Klangmanipulationen im Studio mögen erlaubt sein (Pop!), spätestens an der Stereoanlage ist Schluss damit – im Sinne einer eingeschränkten Lehre, sozusagen.)
Trotzdem stellt sich das mit der Neutralität im wirklichen Leben etwas anders dar. Auch – oder gerade – die „Highender“ wählen ihre Anlagen nach subjektivem Empfinden aus. Und das ist auch unter Leuten, die sich intensiv mit solchen Dingen beschäftigen, durchaus unterschiedlich. Auch ich tendiere eher zu einem wärmeren, homogenen, sozusagen „analogen“ Klang – nur glaube ich nicht, dass die Digitaltechnik diesen nicht bieten kann. Und ich mag naim.

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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)