Re: CASH – American IV: Man comes around

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b-b-grunt

Registriert seit: 08.07.2002

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Nach einigem hören ergibt sich für mich fürs erste folgendes Bild:

The Man Comes Around
Apokalypse hin oder her, das Intro/Outro halt ich für vollkommen unnötig. Im Gegensatz zum Song, das mir ziemlich gut gefällt und sicherlich zum stärksten gehört was Johnny Cash in den letzten Jahren gemacht hat! **** (ohne Intro/Outro)

Hurt
Gute Nummer. Vielleicht ein bisschen zu wehleidig und im Selbstmitleid triefend für einen Mann von der Statur Cashs. Aber er ist ja doch auch nur ein Mensch ***

Give My Love To Rose
Typische Cash Nummer. Sowohl die Geschichte als auch die Melodie hat man von ihm auf die eine oder andere Art schon des öfteren gehört. Hier stellt sich bei mir nicht das Gefühl ein, dass es sich dabei um was besonderes handeln könnte. **

Bridge Over Troubled Water
Tatsächlich der Schwachpunkt der Platte. Der Song gewinnt im Original durch das Wissen um die Uneinlösbarkeit der Versprechung. Johnny Cash singt es jetzt aber so, dass man ihm tatsächlich abnimmt eine Bridge Over Troubled Water sein zu wollen. Und das macht das Lied kaputt. Mehr noch als Fiona Apple. *

I Hung My Head
Ich höre das Lied und möchte dass es mir gefällt. Hat ja ein großes Thema und alles und die Stimme passt und die Musik stimmt und alles und doch: irgendwo versandet das Ganze und der Wiedererkennungswert ist weg. Leider nur ***

First Time Ever I Saw Your Face
Wenn gespenstische Akkorde gleich zu Begin des Songs vom brüchigen Gesang unterbrochen werden, steht die Sehnsucht wieder im Raum. Sonnenaufgänge in den Augen einer Frau, Sonne, Mond und Himmel – was will man mehr? Eines der berührendsten Liebeslieder die ich in letzter Zeit gehört habe. ****

Personal Jesus
Kommt leider nicht ans Original heran auch wenn ich Johnny Cash die Identifikation mit dem Song voll abnehme. ***

In My Life
Wie ich das Lied auf der Tracklist gesehen hab, war ich zuerst ziemlich verwundert. Kann das überhaupt funktionieren? In My Life ist eine der wenigen Bombast Nummern der Beatles die mir wirklich wegen (und nicht trotz) ihres Kitsches gefallen. Und dann: Ganz leise schleicht sich der Meister ans Werk und zeichnet es mit wenigen Bleistiftstrichen ab – und siehe da: es funktioniert. Rechne ich dem Lied und dem Sänger hoch an. ****

Sam Hall
Leicht hörbare, fröhliche Country-Nummer. Der Witz erstickt dabei jedoch leider wirklich am Gebrochenen der Stimme. Leider nicht notwendig ***

Danny Boy
Die Orgel breitet gleich am Anfang das Kirchenschiff fürs Gebet aus. Dann folgt eine getragene Meditation über die Vergänglichkeit alles menschlichen Strebens. So stell ich mir die Musik vor, die sie im Fegefeuer in den Bars spielen um den armen Seelen ein bisschen Entspannung zu gönnen. ****

Desperado
An und für sich ja eine schreckliche Pseudo-Country-Nummer, aber Cash singt sie mit soviel Freude und Hingabe, dass sie hier (und nur hier) auf mich durchaus charmant wirkt. ****

I´m So Lomesome I Could Cry
Wunderbarer Song, stark gesungen von zwei Männern denen man den Text auch abnimmt (Cash witzigerweise „stimmungsmäßig“ sogar noch mehr als Cave). Das Art wie die beiden Duett singen hat was zeitloses und die Nummer verdient *****

Tear Stained Letter
Solide Nummer, aber vielleicht doch ein bisschen zu klassisch Cash um noch wirklich zu überraschen. ***

Streets Of Laredo
Mutig eigentlich so viele Klassiker raufzupacken, die jede und jeder vom Lagerfeuer kennt. Allerdings muss ich zugeben, dass diese Version alle Lagerfeuerversionen die ich kenne doch um einiges übertrifft. Ach ja – und endlich wieder einmal eine Fiedel…. ***

We´ll Meet Again
Würdiger Abschluss mit sehr schönem, entspannten Arrangement, dass mir selbst beim Schlusschor nicht zu pathetisch wird. Sehr stimmig und unglaublich zärtlich. Wunderbares Zusammenspiel von Gitarre, Dobro und Klarinette. Irgendwie meine Lieblingsnummer auf dieser Scheibe und sie kann natürlich nur die letzte Nummer sein. Übrigens auch sehr geeignet zum Festl- oder Kneipen schießen. *****

Insgesamt eine gute (nicht sehr gute) Platte mit äusserst gelungen Versionen alter Klassiker (I´m So Lonesome I Coul Cry, We´ll Meet Again), einem starken eigenen Song (The Man Comes Around) und ein bisschen unnachvollziehbaren Herumstochern in der jüngeren Musikgeschichte (I Hung My Head, Hurt, Personal Jesus). Das ganze im großen und ganzen geschmackssicher arrangiert und mit nur einer wirklichen Schwachstelle (Bridge Over Troubled Water). Ergibt für mich insgesamt *** 1/2 und Platz vier in der American Recording Reihe.

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If you dance, you might understand the words better. David Byrne