Re: Elvis Presley

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patricia66

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Wenn den Alt-68ern nix mehr einfällt, was sie gegen den guten Elvis musikalisch vorbringen können, kommt Nixon aufs Tapet, LOL.

Es ist in der Tat richtig, dass Elvis Presley dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, damals Richard Nixon, im Dezember 1970 einen Besuch abgestattet hat. Er hat das Weiße Haus nicht besucht, weil er ein Fan von Nixon war, sondern weil er ein Anliegen hatte, genau genommen waren es zwei Anliegen, die nichts mit den Beatles zu tun hatten (lesenwerte Quellen zum Besuch: Bud Kroghs, damals Deputy Council, Buch über den Besuch von 1994, ferner die FBI-Akte Elvis Presleys, die in den 1950ern angelegt wurde, als besorgte US-Bürger sich über Elvis Presley als nationales Sicherheitsrisiko aufregten u. das FBI mit Bitte um Intervention anriefen; die FBI-Akte ist veröffentlicht).

Elvis Besuch in Washington war auch keinesfalls so zufällig, wie es Entouragemitglied Jerry Schilling (Hauptquelle auch für Guralnick in dieser Sache) bis heute gerne beschreibt und wie es ihm wohl auch erschienen ist. Elvis Presley war ein riesiger Fan von Polizeiarbeit und unterhielt fast seine ganze Karriere hindurch enge Kontakte zu verschiedenen Polizeiniederlassungen, u.a. zum Polizeipräsidium von Memphis, das ihm auch Sicherheitsleute zur Verfügung stellte (Bodyguard Sam Thompson wurde so rekrutiert) sowie Drogenfahndern in Denver/Colorado und Los Angeles, hier John O’Grady, ehemaliger Leiter der Drogenfahndung in LA.

Befreundet war er auch mit William Morris, Sheriff in Shelby County, Tennessee, der (laut FBI-Akte) sehr guten Verbindungen zum FBI-Headquarter unterhielt. So sammelte Presley auch leidenschaftlich Polizeimarken und entwickelte sehr viel Eigeninitiative, wenn es darum ging, seiner Sammlung ein besonders seltenes Stück hinzuzufügen. Schon allein deswegen war eine FBI-Marke etwas, was er in jedem Fall in der Sammlung haben wollte. Letzteres vor allem, nachdem O’Grady ihn mit dem Entertainer Paul Frees bekannt machte, der als Undercover-Drogenagent arbeitete und eine Marke des Bureau of Narcotics and Dangerous Drugs sein eigen nannte (wird auch in Guralnicks 2. Band dargelegt). Die wollte der gute Elvis nun auch.

Ein besonderes Interesse am FBI entwickelte er zusätzlich im Sommer 1970, als er zum ersten Mal nach seiner Rückkehr auf die Bühne eine ernst zu nehmende Attentatsdrohung erhielt, woraufhin sich das FBI einschaltete und ihm und seiner Familie Personenschutz gewährte. In dieser Zeit begann er, sich und seine Gefolgsleute mehr als je zuvor zu bewaffnen, an der Waffe ausbilden zu lassen und mit Berechtigungen zu versehen, eine Waffe tragen zu dürfen. Dass diese Vorsichtsmaßnahmen nicht nur auf Paranoia gründeten, sondern berechtigt waren, zeigt, dass er bis zu seinem Tod immer wieder Attentats-/Entführungs- und Bombendrohungen erhielt. Hierüber haben verschiedene Leute aus seiner ehemaligen Security umfang- und kenntnisreich Auskunft gegeben, vor allem Karate-Experte Ed Parker und Polizist Sam Thompson, der später als Jugendrichter Karriere machte.

Um die besagte BNDD-Marke für seine Sammlung zu bekommen, machte Elvis zunächst einen Termin mit dem Direktor des Büros, John Finlator, für den 20.12.1970. Dass er einen Termin hatte, geht aus einer Aussage von Finlator in einem Zeitungsartikel in der Washington Post v. 27.2.72 hervor. Offensichtlich ist der gute Elvis schon ein paar Tage vor dem Termin in Washington, und zwar komplett allein, angereist, man nimmt an nach einem Streit mit seiner Familie. Zu dieser Zeit hat er auch eine Freundin, die Regierungsangestellte ist und in Washington lebte. Scheinbar konnte er die aber nicht gleich erreichen. Presley checkte jedenfalls im Hotel in Washington unter einem Pseudonym ein, überlegte es sich dann aber wohl anders und flog nach Los Angeles, wo er Jerry Schilling bat, ihn auf einen 2. Trip gleich am nächsten Tag zurück nach Washington zu begleiten.

Auf diesem 2. Flug nach Washington lernte er im Flieger Senator Murphy kennen, der ihm offensichtlich den Tipp gab, sich direkt an den Präsidenten zu wenden, was der gute Elvis dann auch – keine Zeit verlierend – noch im Flieger auf dem Papier der American Airlines machte. Murphy wiederum hat sich – das geht aus der FBI-Akte hervor – ebenfalls für Presley eingesetzt und schilderte ihn als einen aufrichtigen Typen, der ihm überzeugend vermittelt habe, dass er besonders besorgt um den Drogenkonsum vor allem Jugendlicher sei. Im Flieger waren auch einige Soldaten, die von Vietnam zurück auf Heimaturlaub waren. Mit einem unterhielt sich Elvis länger und gab diesem dann alles an Bargeld, was er dabei hatte (zum Entsetzen von Schilling, der selber total blank war). Er dokumentierte, dass er großen Respekt vor den Soldaten hatte, die ihren Kopf für die Sicherheit ihres Landes hinhielten. Elvis’ Schnellschuss-Brief an den amerikanischen Präsidenten wurde dann in den frühen Morgenstunden direkt am Tor vom Weißen Haus von ihm selbst abgegeben, danach checkten Elvis und Schilling im Hotel ein und Elvis machte sich fast sofort allein auf den Weg zu Finlator. Schilling bekam den Auftrag, ihn dort direkt anzurufen, sobald sich das Weiße Haus meldete. Dies passierte tatsächlich (zur Überraschung Schillings), Schilling rief wie aufgetragen bei Finlator an und erfuhr von Elvis, dass Finlator ihm die Marke nicht geben konnte. Also ging’s auf zum Präsidenten.

Vor dem Gespräch mit dem Präsidenten machte dann Bud Krogh, kurioserweise ein Elvis-Fan, eine Art Briefing – zum Piepen, wie er das in seinem Buch schildert. Keiner im Weißen Haus wusste so recht, was der gute Elvis eigentlich wollte, man hielt das alles zunächst für einen Scherz. Krogh hatte zunächst ein Vorgespräch mit Elvis, das jedoch nicht wirklich erhellend war, weil dieser sich sehr formal und zurückhaltend wie bei einem Bewerbungsgespräch gab, hier ein paar wörtliche Aussagen, zitiert in Kroghs Buch:

„I love my country, and I care a lot about my family and friends. I’d like to do what I can to help out. I didn’t try to get out of the Army because that was my duty. And it was the right thing to do. I’d like to pay back the country for a lot that’s been given to me. […] I think I can help with teenagers. Not in any direct way. Just through my music and other ways I communicate. […] I’ve also tried to help the guys in law enforcement arount the country. They’re on the front lines.”

Im Anschluss an dieses Vorgespräch entwickelte Krogh einen Gesprächsleitfaden für den Präsidenten, in dessen Zentrum Elvis Mithilfe bei der Anti-Drogen-Kampagne der Regierung stand und Bezüge zum frühen Tod von Janis Joplin und Jimi Hendrix gezogen wurden. Krogh schlug u.a. ein TV-Special und ein Album mit Elvis vor mit dem sinnigen Titel „Get High on Life“ vor. Beides war mit Elvis im Vorgespräch nicht abgesprochen. Der Gesprächsleitfaden nutzte auch sowieso nix, denn Elvis hielt sich nicht dran. Nach ein bisschen Small Talk mit dem Präsidenten (er zeigte Fotos von seiner Familie u. seine Polizeimarken) suchte er offensichtlich nach einer Möglichkeit, die BNDD-Marke ins Gespräch zu bringen und machte dabei ein paar merkwürdige Anmerkungen, die er im Vorgespräch nicht gemacht hatte. Er versuchte offensichtlich gezielt, bei Nixon ein paar Knöpfe zu drücken, um in dem kurzen Gespräch, sich die BNDD-Marke zu sichern. So faselte er etwas davon, sich schlau zum Thema „Communist Brainwashing“ und „Drug Culture“ gemacht zu haben. Und in diesem Rahmen brachte er in der Tat kurz die British Invasion und ihre bekannteste Band, die Beatles, mit dem Aufkommen der Drogenkultur in den USA in Zusammenhang. Als er merkte, dass Nixon damit nix anfangen konnte, brach er dies sofort ab und fragte direkt nach der Marke, die er dann auch bekam.

Das seltsame Gespräch endete wohlwollend und man verblieb auf beiden Seiten so, es nicht öffentlich zu machen, woran beide sich hielten. Elvis dokumentierte, er wolle nur dort, wo er die Chance sehe, über Gespräche mit Jugendlichen etwas zu bewirken, dies auch tun. Kein Predigen von der Bühne runter und keine offizielle Funktion. Von einem TV-Special war keine Rede mehr. Krogh konnte Elvis dann beim Lunch danach für die Idee des „educational program“, bei dem es in erster Linie um Aufklärung, Rehabilitation und Behandlung drogenabhängiger Jugendlicher ging, interessieren. Für dieses Programm spendete der King ein paar tausend Dollar, entschwand dann, um auch nie wieder in das Weiße Haus zurückzukehren. Die häufig kolportierte enge Beziehung zu Nixon gab es also nicht – Elvis wäre auch bei einem anderen Präsidenten aufgeschlagen, sein Besuch galt dem Amt, nicht der Person, zudem war es dem Besuch bei Finlator nachgelagert. Ein paar Tage nach diesem Besuch hatte Elvis dann zusammen mit dem schon erwähnten William M. Morris eine Führung durch verschiedene FBI-Büros, die Führung hatte Morris offensichtlich organisiert. Interessanterweise weigerte sich Edgar Hoover – dies geht aus einem FBI-Memo hervor – die Besucher zu begrüßen u. ließ sich mit einer Ausrede entschuldigen. Am Rande dieser Tour hat Elvis aber offensichtlich noch einmal Missbilligung mit den aus seiner Sicht antiamerikanischen Aktivtitäten anderer Entertainer und Verherrlichung von Drogenkonsum geäußert, es z.B. werden Jane Fonda und die Smothers Brothers im Memo erwähnt.

Entsprechend gab es auch keine weiteren Treffen mit Nixon oder Krogh, allerdings mit einer Reihe anderer künftiger amerik. Präsidenten, z.B. Jimmy Carter und Bill Clinton, dazu gibt es auch Fotos. Beide Präsidenten haben Konzerte von ihm besucht. Elvis soll laut Ann Margret, mit der er die Berichterstattung der Ermordung Kennedys im TV verfolgte, ein Bewunderer Kennedys gewesen sein. Ganz sicher kann man auch sagen, dass er Martin Luther King sehr schätzte, da seine umfangreiche Plattensammlung Reden Martin Luther Kings beinhaltete, er zudem aus diesen Reden gerne rezitiert haben soll (vgl. Analyse der Plattensammlung im Record Collector).

In Interviews dokumentierte Elvis auch nach seinem Besuch im Weißen Haus weiterhin, dass er keinerlei politische Ambitionen hatte (Madison Square Garden, 1972). Dass er sich aber durchaus für Politik interessierte, belegt u.a. ein Buch zur Watergate Affäre, das er nach eigener Lektüre Janelle McComb schenkte (eine Freundin seiner Mutter), das Buch befindet sich heute im Elvis-Museum in Tupelo.

Nun bleibt die Frage, inwieweit Elvis, als er die Marke endlich hatte, sich nicht doch gegen Drogen eingesetzt hat. Laut Autor Darrin Lee (Quelle: Desert Storm) soll Presley in der Tat zwischen 1974 und 1976 einem Drogenfahnder Tarnung als Musiker gewährt haben. Ferner gibt es, z.B. von den Töchtern Dr. Nichopoulos’, Aussagen, dass er ihnen, die in den 70ern Teenager waren, lange Vorträge über die Gefahren von Drogen hielt und sie nachdrücklich warnte, die Finger davon zu lassen (Quelle: G. Nichopoulos: The King and Dr. Nick, S. 98).

Weitere Entourage-Mitglieder haben zudem – u.a. im Prozess des Staates Tennessee gegen Dr. George Nichopoulos – ausgesagt, dass sie Gefahr liefen, gefeuert zu werden, wenn Elvis Drogenkonsum in seiner Truppe vermutete. Man darf also davon ausgehen, dass das Bestreben, die FBI-Marke zu bekommen, tatsächlich auch einen ideellen Hintergrund hatte, ganz unabhängig davon, wer gerade Präsident im Weißen Haus war.

Dass Elvis Presley mit den Fab Four politisch wenig gemeinsame Basis hatte Ende der 60er/Anfang der 70er, dürfte hiermit klar sein. Musikalisch hat er sie aber sehr geschätzt, das ist mehrfach dokumentiert. Dass er es nicht gut fand, seinen eigenen Erfolg offen zu nutzen, um andere zu politisieren und für eine politische Richtung zu begeistern, klingt in seinem Madison Square Garden Interview an. Sich gegen Drogendealer, die Stoff an Jugendliche verkaufen, einzusetzen durch Undercover-Aktivitäten, fand er allerdings richtig und legitim. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass er aktiv gegen Entertainer vorgegangen ist, sein Feindbild waren die Dealer, siehe seine Kontakte zu Fahndern etc.

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