Re: Elvis Presley

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minos

Registriert seit: 02.06.2008

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j.w.
Der Vorwurf, Elvis hätte „nur geklaut“, ist völlig haltlos.

Hierin Zustimmung! Eigendlich wollte ich grade noch zu dem (leider) verbreiteten Märchen einiges schreiben, Elvis hätte nur geklaut und darauf seinen Erfolg aufgebaut. Aber was Du weiter schreibst, erregt meinen spontanen Widerspruch, und der ist dringlicher! ;-)

[Quote]Er war es, der die Musik aus seiner Umgebung, die ihn geprägt hat und zwar sowohl weiße wie C&W und Hillbilly als auch schwarze wie Blues und Gospel, vereint hat und mit seiner sensationellen Stimme und seinem intuitiven Rhythmus, der auch in seine Körperbewegungen aufging, eine Musik geschaffen hat, die schlicht und einfach vorher noch nicht da war.

Wie bitte? Hat es vor Elvis keinen Rock’n’Roll gegeben? Was ist mit Bill Haley? Was mit den (schwarzen) Urvätern/-müttern dieser Musikrichtung (Wynonie Harris, Big Joe Turner(40er), Louis Jordan, Amos Milburn sowie viele heute wenig bekannte Küntler und auch viele Künstlerinnen; Thornton meine ich übrigens nicht, die sehe ich auch Blues/R&B))? Haben die Ende der 40er/Anfang der 50er grundsätzlich andere Musik gemacht? Die Singles von 1955 eines Little Richard (EDIT: wie beurteilst Du seinen Output vor diesen, z. B. „Get Rich Quick“), Bill Haleys oder Chuck Berrys (alle vor Heartbreak Hotel)sind dann wahrscheinlich auch nur Blues oder Country?

Es gab einige Weiße, die – mit mehr oder weniger Erfolg – bereits Jahre zuvor schwarze Musik mit ihren Mitteln gespielt haben. Z. B. der unermüdliche Bill Haley, der dies seit m. W.. 1950 praktizierte. Anfangs noch stark mit Country-Instrumentierung; nach und nach veränderte Haley und seine Band jedoch die Mittel und schuf einen eigenen Sound. Die Musik, die er coverte (ähnliche Stücke schrieb er auch selbst) war doch nicht nur Blues und Gospel! Zwar hat er auch ruhige Songs wie Ruth Browns Hit „Teardrops From My Eyes“ gecovert, meist waren es aber schnelle R&B-Songs, die sich teils zumindest an der Grenze zum Rock’n’Roll bewegten. Wenn einem Weißen, dann gebührt eindeutig Haley der Verdienst, weiße und schwarze Musik zusammengeführt und dabei einen neuen Sound geschaffen zu haben (auch wenn ich auch eine solche Sichtweise für zu undifferenziert halte). Außerdem hatte Haley bereits 1953 seinen ersten Hit mit „Crazy Man Crazy“. Deutlich vor Elvis erster Single! Aber vermutlich kann man auch das kleinreden, in dem man „Crazy Man Crazy“ noch irgendwie dem Country oder dem Blues zuordnet.

Ich bin kein total verblendeter Haley-Fan! Aber was die Popularisierung des Rock’n’Roll beim (zumeist jungen)weißen Publikum angeht, hat er eindeutig mehr geleistet als Elvis, dessen landesweiter Durchbruch doch erst 1956(!) mit „Heartbreak Hotel“ (übrigens m. E. dem Blues zuzurechnen ;-)) war. „Thats All Right“ war kein landesweiter Hit (auch wenn die Single regional ein Erfolg eas und er damit wohl auch andere Künstler beeinflußt hat).

Es gab auch nun wirklich nicht nur Bill Haley, der schon früh „weiße“ und „schwarze“ Musik vermischte. Schwarze bedienten sich zuweilen auch in der weißen Musik, Weiße nahmen Elemente der schwarzen Musik auf oder coverten sie. Von „Shotgun Boogie“, ein großer Hit für Tennessee Ernie Ford, wurde von Weißen und Schwarzen gerne gecovert. Ella Mae Morse bewegte sich bereits in den 40ern quer durch viele Genren (weiße und scharze. Elvis soll diese Künstlerin übrigens als Einfluss genannt haben). Mit anderen, die genannt werden, wie Zeb Turner kenne ich mich noch nicht aus, aber dass Elvis einen neuen Stil erschaffen hat, indem erst er . wie ich Deine Aussage verstehe – spontan auf die Idee kam verschiedene Elemente der schwarzen und weißen Musik vermischte, dazu auch noch intuitiv den passenden Rhythmus fand, ist schlicht unhaltbar.

Versteh mich nicht falsch: Elvis hat einiges geleistet, hatte großes Stimmliches Talent und viel Ausstrahlung, die ihn zum (ersten) großen Popstar werden ließ. Das alles respektiere ich. Aber ihn auf einen noch höheren Podest zu hieven, in dem man ihm die „Erfindung“ eines neuen Musikstils zurechnet – da stelle ich mich quer, denn das entspricht nicht den Tatsachen!

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