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Huiuiui, da steckt aber viel (gewagtes) drin!
Aber erst etwas zu Ravel:
Wie auf’s Stichwort: Heute abend ab 22.45 Uhr auf arte:
Leidenschaft Bolero: Interpretation der Kompostion von Maurice Ravel (F 2007)
Und als Tip für’s Gehör: Die kompletten orchestralen Werke von Ravel (u.a. auch die orchestrierten „Bilder einer Ausstellung“ von Moussorgsky), gespielt vom Französischen Orchestre National unter einem kräftig zupackenden Eliahu Inbal. Sehr günstig bei Brilliant wieder veröffentlicht, ursprünglich auf Denon erschienen.
So, nun etwas zu Brahms. Ich denke, dass Du literarisch um ein vielfaches bewanderter bist, also ich, dennoch finde ich einige – halbsätzige – Behauptungen etwas hinterfragenswürdig.
Ich glaube, dass man nur allzu gern von Brahms‘ sozialer Persönlichkeit auf seine musikalische schließt und dementsprechend häufig auch mutmaßt, dass er dadurch ähnlich nach innen gekehrt „spricht“, bzw. nichts nach außen lässt. Ich halte das für nicht plausibel, denn gerade sein Zitat („In meinen Tönen spreche ich“) bedeutet doch, dass er sich nicht bewusst versperrt, sondern sich dadurch öffnet und mitteilt?! Seine Tonsprache bricht nur ziemlich mit der seiner Vorgänger, was ihn sperriger, unzugänglicher erscheinen lässt, was insbesonder seine Handhabung der Tonalität angeht. Diese wahrgenommene Versperren lässt sich als mE eher darauf zurückführen, dass Brahms nicht als Konservierer und konservativer Klassizist auftrat, sondern auf seine Art die Symphonik zumindest revolutioniert hat und dadurch nicht mehr so einfach zu überschauen war. Auch trägt sein Hang und Drang musikalische Formen – egal über welche Länge – zu Ende zu führen sein übliches bei. Im Gegensatz zu den bisherigen Symphonien zeigt sich bei ihm eben diese schwer konsumierbare Länge, die aber innerlich keinesfalls ideenlos ist, sondern bis zum letzten ausgestaltet ist. All das trägt mE aber dazu bei, dass ihm der Ruf des Versperrten anhaftet, ist es dabei doch eher so, dass der Hörer sich ihm gegenüber aufgrund des überwältigenden Materials verschließt.
Man muss nur mal von reinen Hör-Eindruck die vierte von Schumann mit der dritten von Brahms vergleichen! Natürlich bleibt ersterer freundlicher, strukturierter und präsenter, und damit zugänglicher!
Das trifft im übrigen auch auf die angebliche „Unmelodiosität“ zu. Dadurch, dass Brahms in einem stärkeren Maße mit der Tonalität arbeitet als bisher, auch ungerade Taktarten einarbeitet, stößt er vielleicht eher vor den Kopf. Dennoch ist nichts davon dissonant oder unverdaulich, sondern bleibt stets melodisch, zumindest aus der heutigen Sicht mit den Erfahrungen des Neoklassizismus, der Modernen Musik, usw.
Da passt das gefundene Zitat anlässlich der Vorführung der vierten Symphonie ganz gut:Elisabeth von Herzogenberg bezeichnete das Werk als „eine kleine Welt für die Klugen und Wissenden, an der das Volk, das im Dunkeln wandelt, nur einen schwachen Anteil haben könnte“ (s. wiki)
Paradoxerweise sehe ich Brahms aufgrund des ersten Eindrucks der Musik nicht weit von Wagner entfernt…
Auch den Vorwurf einer mangelnden emotionalen Ausdrucksfähigkeit kann ich so nicht stehen lassen, war Brahms doch jemand, der nicht trivial an der Oberfläche gekratzt hat, sondern all seine Erfahrungen, seine Zerwürfnisse, seine Ängste und Auseinandersetzungen in seine Musik geworfen hatte.
Auch zeigt sich doch in seiner dritten kompositorischen Phase eine tiefe emotionale persönliche Rückbesinnung, die insbesondere in den späten kammermusikalischen Werken deutlich wird. Emotionaler als in den Werken für Klarinette bspw. kann man doch gar nicht mehr komponieren?
Das ist jetzt viel blabla meinerseits, da ich musikwissenschaftlich nicht begabt bin, meine Aussagen mit entsprechend harten Fakten zu belegen. Trotzdem sind das meine subjektiven Aussagen, die ich in diesem Falle gerne mitteilen wollte. Also eine kleine Entschuldigung für das lange Brimborium…
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III