Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Über die Klasse der Klassik › Lieder ohne Worte – Delias Kreis der Davidsbündler › Re: Lieder ohne Worte – Delias Kreis der Davidsbündler
Legen wir den Finger nun also gleich zu Beginn dahin wo es weh tut:
3. Robert Schumann – Geistervariationen (Thema mit Variationen in Es-Dur für Klavier)
Im Februar 1854 verschärfte sich Schumanns bisher latent vorhandenes psychisches und physisches Leiden in die letzte, entgültige Stufe.
Er klagte über „Gehöraffektionen“. Töne, Akkorde, ganze musikalische Stücke tobten in seinem Kopf, benebelten ihm die Sinne, raubten ihm den Schlaf. Clara notierte in ihrem Tagebuch:
„[In der Nacht vom 17. auf den 18. Februar] stand Robert immer wieder auf und schrieb ein Thema, welches ihm die Geister Schuberts und Mendelssohns vorsangen, und über welches er für mich ebenso rührende wie ergreifende Variationen machte.“
aber auch das noch weitaus besorgniserregendere:
„Robert wähnte sich in jenen Tagen von Geistern umgeben, die im teils ‚wundervolle‘, teils ‚grässliche‘ Musik darboten, die ihm ‚herrlichste Offenbarungen‘ verhiessen, ihn aber auch ‚in die Hölle [zu] werfen‘ drohten“
Das unter dem Titel „Geistervariationen“ bekannt gewordene „Thema mit Variationen in Es-Dur für Klavier“ war Schumanns letztes Werk bevor er in die Heilanstalt Bonn-Endenich eingeliefert wurde und somit sein letztes überhaupt. Noch während der Arbeit an dieser Komposition kam es zu dem tragisch berühmt gewordenen Selbstmordversuch durch einen Sprung in den Rhein am 27. Februar.
Nachdem Schumann gerettet wurde, arbeitete er in einem nervlichen Kraftakt noch einen weiteren Tag an den Variationen, bevor er die Komposition niederlegte und das fertige Manuskript an seine zu diesem Zeitpunkt auf ärztliches Anraten bereits nicht mehr bei ihm wohnenden Familie sandte.
Clara, die sich nach dem Tod ihres Mannes nur noch auf das Interpretieren von Werken ihrer männlichen Kollegen, nicht mehr aber auf das Komponieren eigener Stücke, beschränkte, setzte alles daran, dass dieses letzte Werk Roberts niemals veröffentlicht werden würde.
Keine setzte sich posthum so sehr für die Bekanntwerdung der Werke Schumanns ein wie sie, doch dieses letzte Werk wollte sie nicht zulassen, war es ihr doch ein einziges „von Geisterstimmen diktierte[s]“ Krankheitszeichen.
Robert selbst sagte kurze Zeit später noch, dieses Thema sei ihm von den Engeln eingegeben worden. Es war wohl ihre letzte Hilfe, die sie ihm zukommen liesen.
Trotz der Hoffnungslosigkeit, in der diese Komposition entstand, gehört sie zu den ergreifendsten Werken, die Schumann geschrieben hat. Die ohnmächtige und leise Verzweiflung dieses Werkes, das sich vollkommen gängigen Hörgewohnheiten entzieht, nimmt den Zuhörer auf ganz eigene Art und Weise gefangen und ein Stück mit in die Verlorenheit der letzten Jahre Schumanns.
Quelle
Mir liegt eine Interpretation von Michael Endres vor und nach keiner anderen sollte man suchen.
--