Re: Lieder ohne Worte – Delias Kreis der Davidsbündler

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claraschumann

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1. Felix Mendelssohn Bartholdy – Sinfonie Nr. 3 in a-Moll „Schottische“, Op. 56

„Es wird so viel über Musik gesprochen und so wenig gesagt. Ich glaube überhaupt, die Worte reichen nicht hin zu, und fände ich, daß sie hinreichten, so würde ich am Ende keine Musik mehr machen.“

Der erste Eintrag kann nach längerem Hin und Her aus meiner Sicht nur einem gebühren:
Felix Mendelssohn, dem Enkel des berühmten Philosophen der Aufklärung, Moses Mendelssohn, dessen Familie als Zeichen des Übertrittes vom jüdischen Glauben zum Christentum den Zunahmen Bartholdy angenommen hatte, was Fillius Felix jedoch nie wirklich akzeptierte und sich selbst Zeit seines nur 38-jährigen Lebens stets ohne Bindestrich schrieb.
Seine Lehrer nannten ihn eine „Rotznase“, nichtsdestotrotz spielte er im Alter von 12 Jahren bei Goethe vor. 1833 wurde er Musikdirektor in Düsseldorf, 1835 Gewandhauskapellmeister in Leipzig. Zusammen mit Verlegern, Gelehrten und anderen Komponisten gründete er 1843 das Leipziger Konservatorium, die erste Musikschule Deutschlands.
Mendelssohn hatte er es zu verdanken, dass Robert Schumann seine erste Musikertätigkeit von Rang und Namen, nämlich die des Dirigenten an oben genanntem Konservatorium. Eine tiefere Freundschaft entwickelte sich dabei zwischen den beiden so grundverschiedenen Männern, dem stillen, introvertierten Robert und dem forschen, selbstsicheren und weltmännischen Felix auch wenn einige durchaus bewusste anti-semitische Äußerungen Schumanns einen Schatten darauf warfen.
Als „Felix Meritis“ hielt Mendelssohn Einzug in Schumanns Kreis der Davidsbündler und in diesen Thread nun mit seiner dritten von insgesamt fünf Sinfonien, dem Op. 56 in a-Moll, auch „Schottische genannt. (Bevor jemand damit anfängt, die 12 Streichersymphonien aus dem Zeitraum 1821-1823 werden erstens als ein Werk und zweitens nicht als eigenständige Sinfonie gelistet)

Mir liegt eine Interpretation des Rochester Philharmonic Orchestra unter der Leitung von David Zinman vor.

Die Arbeitsweise von Mendelssohn zeichnete sich dadurch aus, dass sie nicht alleine durch pures Talent und empirische Technik lebte. Der Musiker erschuf seine Werke durch Inspirationen aller Art, seien es Shakespeare für seine Ouvertüre zum Sommernachtstraum, die Bibel für seine Oratorien oder seine weitführenden Reisen nach Schottland, Italien und den Rest Europas für seine Sinfonien.

Mendelssohn selbst hatte übrigens für seine Werke keine „Eigennamen“ vergeben, alle Bezeichnungen wie eben „die Schottische“ oder auch das „Frühlings-“ und das „Spinnerlied“ aus „Lieder ohne Worte“ wurden nachträglich von anderen dazugesetzt.

Hier ein Brief zur Entstehung, den Mendelssohn 1829 aus Schottland an seine Familie schickte:

In der tiefen Dämmerung gingen wir heut nach dem Palaste, wo Königin Maria gelebt und geliebt hat. Es ist da ein kleines Zimmer zu sehen mit einer Wendeltreppe an der Tür. Da stiegen sie hinauf und fanden den Rizzio im kleinen Zimmer, zogen ihn heraus, und drei Stuben davon ist eine finstere Ecke, wo sie ihn ermordet haben. Der Kapelle daneben fehlt nun das Dach, Gras und Efeu wachsen viel darin, und am zerbrochenen Altar wurde Maria zur Königin von Schottland gekrönt. Es ist da alles zerbrochen, morsch, und der heitere Himmel scheint hinein. Ich glaube ich habe heut da den Anfang meiner Symphonie gefunden.

1829 enstand schließlich auch gleich die erste Skizze, der Schluss-Satz, durch welchen das Werk eine entgültige Gestalt annahm, erschien ganze zwölf Jahre später. Dieser vierte Satz, ein zehnminütiges Allegro vivacissimo – Allegro maestoso assai, ist meines Erachtens der zugänglichste, der Ohrwurm mit dem großen, erhabenen Melodiebogen gegen Ende.
Der dritte Satz ist ein ebenso zehnminütiges Adagio, weil ich mit den langsamen Stücken immer meine Schwierigkeit habe, kommt für mich die spannende Stelle so ungefähr kurz vor der dritten Minute beim vollen Orchester-Tutti, das bei Mendelssohn immer sehr angenehm eingesetzt wird und seine volle Wirkungskraft einsetzt ohne jedoch hyperpathetisch überladen zu sein.
Der zweite Satz ist ein lebhaftes, nur vierminütiges Vivace non troppo und basiert auf alten schottischen Volksweisen.
Nachdem ich das Feld konsquent von hinten her aufgeräumt habe, schließen wir natürlich mit dem ersten Satz, dem mit 14 Minuten längsten Stück der Symphonie, einem Andante con moto – Allegro un poco agitato.
Eine vieldiskutierte Neuerung, die Mendelssohn in den formalen Rahmen der Sinfonie-Komposition einbaute, war die Entfernung der seiner Meinung nach „stimmungstötenden Pausen“ zwischen den Sätzen, was er in dem 1843 erschienen Erstdruck der Partitur als Anweisung niederschreiben lies.

Die Sinfonie wurde am 3. März 1842 in Leipzig uraufgeführt und ist der britischen Königin Victoria gewidmet.

Am empfehlenswertesten bei den Aufnahmen, neben der die ich habe, von der ich aber kein Bild finde, ist wohl auch die der Sinfoniengesamtausgabe des London Symphony Orchestra unter der Leitung von Claudio Abbado. Diese ist ein 5-CD-Set, „die Schottische“ natürlich die dritte davon.

Erster Satz Teil 1, Teil 2, Teil 3
Zweiter Satz
Dritter Satz
Vierter Satz Teil 1, Teil 2

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