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@ Vorgarten: Sehr interessant und amüsant! Wo kann man darüber lesen?
@ gypsy tail wind: Ja, ich denke, es war ein entscheidender Punkt, dass Coleman und auch Cecil Taylor von „außen“ kamen. Während Parker bereits als neu aufgetauchter Musiker so spielte, dass die etablierten Meister platt waren (z.B. Ben Webster), hatten die jungen Free-Jazzer null Reputation unter den damals anerkannten Meistern. Allerdings gab es John Lewis, der Coleman sehr förderte. Lewis war mit seinen Third-Stream-Geschichten aber vielleicht selbst ziemlich am Rande. Ganz entscheidend war wohl dann, dass Coltrane die „jungen Wilden“ auf die Bühne holte. Dass Coltrane mit seiner nicht einfachen Musik Anfang der 1960er Jahre auch kommerziell erfolgreich war, das ist in meinen Augen übrigens echt ein Phänomen. – Du hast Recht: mein Blick ist retrospektiv. Ich denk, es gibt speziell beim „Free Jazz“ vieles, was mit- und hineingedacht wurde und meines Erachtens rückblickend zu relativieren ist. Z.B. tauchte da die Idee der Befreiung auf. Wir reden heute selbstverständlich davon, dass eine Musik „freier“ ist als eine andere. Zu Parkers Zeiten kam wohl niemand auf die Idee, in diesem Sinn von „Freiheit“ zu reden, und ob es so etwas wie „Freiheit“ in der Musik wirklich gibt, erscheint mir als fraglich. Manchmal klingt es so, als wären früher Musiker unter Peitschenhieben gezwungen worden, nach Akkordgerüsten zu spielen. – Nach meiner Vorstellung war Colemans Stärke dieses erfrischende, kreative, unbedarfte, echt musikalische Potential, das vielen Musikern, die nachahmend spielen, verschlossen bleibt. Aber ich denke, zu allen Zeiten spielen die allermeisten Musiker in sehr nachahmender Weise – heute sogar regelrecht verschult. Und das gilt wohl auch für Free-Jazz. – Auch außerhalb der Musik gibt es Leute, die alles studiert haben und doch keine wirkliche Ahnung haben. Und andererseits einen offenen, direkten, naiven Zugang, dem oft eine entsprechende Meisterschaft fehlt. Diese beiden Dinge zusammenzubringen, scheint extrem schwer zu sein.
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