Re: Gibt es objektive Kriterien für die Beurteilung von Rock/Popmusik

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bender-rodriguez

Registriert seit: 07.09.2005

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Go1
Für mich ist klar, dass ich alle Positionen ablehne, die Virtuosität, „Handwerk“, technische Perfektion in den Vordergrund rücken. Ein bedeutender Teil meiner Lieblingsmusik würde nach solchen Kriterien schlecht abschneiden und das kann ich nicht zulassen. Wenn jemand unterstellt, technisch anspruchsvolle Musik sei besser als solche, die leicht zu spielen ist, oder perfekt gespielte Musik sei besser als solche, die Fehler enthält, dann bin ich dagegen. Das ist eine Entscheidung, die ich getroffen habe; ich erwarte nicht, dass sich alle mir anschließen und meine Argumente teilen. Ich sage vielleicht: Restriktion ist die Mutter der Innovation; technische Mängel zwingen zur Kreativität und fördern Originalität; Virtuosen geraten in Versuchung, ihre eingeübten Licks herunterzuspielen, ein paar Ideen, die sie einmal als gut erkannt haben, immer wieder zu reproduzieren. Aber es ist klar, dass ich keinen „Mucker“ damit überzeugen werde. Ich spiele ihm ein wunderbares Stück vor und er sagt: „Das ist ja total billig, das könnte ich sofort nachspielen“. Und er könnte das auch, nur wäre ihm die Musik nie eingefallen. Dann spielt er mir vielleicht Jazzrock vor, ich höre selbstverliebtes, angeberisches Genudel, und er sagt: „Das ist total schwer zu spielen, aber es klingt so leicht. Toll!“ Sein geschultes Musikerohr erkennt in dem Genudel eine gekonnte Slalomfahrt durch spieltechnische Hindernisse. Ich kann das anerkennen, er hat da mehr Erfahrung als ich, aber deshalb ist diese Slalomfahrt noch lange keine gute Musik, nicht in meinem Universum.

Aber Virtuosität als Mittel einer künstlerischen Vision ist nur eine Möglichkeit und nicht der Regelfall. Welche Mittel man benötigt, hängt vom Zweck ab, den man verfolgt. Es gibt viele künstlerische Ideen, die sich mit einfachen Mitteln perfekt verwirklichen lassen; und eine Idee wird nicht dadurch besser, dass sie anspruchsvoller Mittel zu ihrer Verwirklichung bedarf.

Sehr schön! Das unterschreibe ich glatt mit!

(Sinngemässes äusserte ich übrigens bereits vor fast zwei Jahren hier irgendwo – war aber wohl der falsche Thread, denn ich heimste ausser Unverständnis und Hohn nicht viel ein…)

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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad