Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Europäischer Jazz › Re: Europäischer Jazz
Gianluigi Trovesi – Around Small Fairy Tales (Soul Note, rec. 1998)
Ein grosses Orchester, geleitet von Bruno Tommaso. Trovesi spielt begleitet von ein paar Bläsern (fl, ob, tp), Streichern, Harfe und einer grösseren Rhythmusgruppe (vib, b, elb, d, perc) echte und „erfundene“ Tänze… sehr schön, die Spielfreude und der Überschwang, den ich bei ihm so mag, kommen hier gut zur Geltung. Die Rhythmusgruppe mit den beiden Bässen und zwei Schlagzeugern (beides scheint bei ihm fast schon Standard zu sein, sein Oktett – s.u. – besteht ja zu 4.5 Achteln aus Rhythmusgruppe!). V.a. der treibende Elektrobass durchbricht die „Schönheit“ der Musik immer wieder, und natürlich trägt Trovesi selbst das seine dazu bei! Der Solo-Geiger ist übrigens Stefano Montanari, der ein Jahr später auch bei „Midsummernight’s Dream“ dabei ist.
Gianluigi Trovesi Octet – Les Hommes Armés (Soul Note, rec. 1996)
Hier nun das Oktet (oder Ottetto), mit Pino Minafra (t, flh, didjeridoo, und Stimme durch Megaphon), Rodolfo Migliardi (tb, tuba), Marco Remondini (cello, manchmal as), Roberto Bonati (b), Marco Micheli (b, elb), Fulvio Maras (perc), Vittorio Marinoni (d).
Das sind alles langjährige Weggefährten und die Musik lässt das erahnen – auch wenn die Stücke komplex sind merkt man immer auch, wieviel Spass da drinsteck. Die CD verarbeitet das traditionelle Lied „L’Homme Armé“ sowie Guillaume Dufays Kyrie aud er Messe „L’Homme Armé“ (um das herum Trovesi ein 16 Minuten langes „Ambulat Hit Armatus Homo“ geschrieben hat), Ellingtons „Mood Indigo“, eine Widmung an Dolphy mit dem Titel „Dance for a King“, das von einen unbekannten Komponisten stammende „Valeureux Liegeois“ (um das Trovesi wieder ein 17 Minuten langes Stück geschrieben hat) und dazwischen gibt’s den „Tango“ (als Opener), „Tengo“, „Tingo“, „Tongo“, und als Closer „T’Ungo“. Genau dieser Mix aus durchaus anspruchsvoller Musik und Humor gefällt mir so gut. Und wenn Minafra dann noch sein Megaphon hervorkramt… :sonne:
Das ganze kommt in einem Guss daher und ja, ich muss es so lapidar sagen: bereitet grosse Freude bei gleichzeitigem grossem Hörgenuss.
Gianluigi Trovesi Ottetto – Fugace (ECM, rec. 2002)
Ich glaub das ist eine Ausnahme – oder Trovesi ist einfach ein so starker Charakterkopf… jedenfalls kann ECM ihm die Spielfreude nicht nehmen und die Musik klingt zwar sauberer, reiner (aber nicht zu rein, zum Glück), was auch durchaus gelegen kommt, weil man mehr Details hören kann. Minafra und Migliardi wurden unterdessen von Massimo Greco (t) und Beppe Caruso (tb) ersetzt, sonst ist das noch immer dieselbe Truppe (die waren – soweit ich dazu Infos bzw Radio-Aufnahmen habe – zumindest bis 2006 noch in genau derselben Besetzung anzutreffen). Die CD ist ein Feuerwerk von Zitaten und Referenzen, von Louis Armstrong („Tiger Rag, „Oh, Didn’t He Ramble“) bis zum Komiker Totò („Totò nei Caraibi“), Trovesi singt mit seiner Klarinette Barockmusik, lässt sie rauh schreien wie bei Edmond Hall, Ellington klingt an, aber auch der Mix aus Italienischer und Amerikanischer Volks- und Populärmusik der Filme des Neorealismo. Sehr schön auch, wie hier grössere Bögen geschlagen werden, wie die Musik sich langsam aus der Stille entwickelt, bis zum schreienden Dialog oder der Kollektiv-Improvisation, und wie sie dann wieder verschwindet.
(Und bevor ihr jetzt glaubt, „Fugace“ sei das grösste Trovesi-Album… ich kenne das andere Oktett-Album auf Soul Note, „From G to G“ nicht, das anscheinend auch hervorragend sein muss!)
--
"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba