Re: Europäischer Jazz

#5822001  | PERMALINK

redbeansandrice

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clasjazDanke, redbeans! Die Nachtwachen von Sclavis kannte ich noch nicht und bin so erfrischt wie begeistert. Von den französischen Bassisten weiß ich nichts, wenn Du also magst …

in Sachen Henri Texier… wenn es so etwas gibt wie die Mitte zwischen Richard Thompson und Charles Mingus, dann kann man den Bassisten Henri Texier irgendwo dort ansiedeln… er begann seine Karriere in den 60er Jahren als Begleiter amerikanischer Jazz-Musker wie Randy Weston (zwei tolle Alben) und Phil Woods, spielte dann um 1970 folkigen Prog-Rock mit der Band Total Issue zu der auch Aldo Romano gehörte… Texiers erste Soloalben für das Label JMS sind dann auch mindestens so sehr Folk wie Jazz Alben, tatsächlich Soloalben, aber mit vielen Spuren, neben Bass auch Gesang, Percussion, Gitarre, Oud… das sind Amir und Varech, ich find Varech geringfügig gelungener, aber die sind beide klasse… das nächste Album A cordes et a cris ist ähnlich, aber mit stärkeren Jazzelementen, Gästen wie Didier Lockwood – gefällt mir eine Spur schlechter… in den frühen achziger Jahren wechselte Texier zu Label Bleu, die ersten dort entstandenen Alben sind nicht viel anders als geringfügig wärmere ECM Alben, ich bevorzuge die Band mit Sclavis und Phillipe Deschepper auf Paris-Batignolles und vor allem auf La Companera gegenüber der prominenteren Besetzung mit Abercrombie/Swallow auf Izlaz und Colonel Skpje… generell sind das allerdings so ungefähr die kältesten Alben, die Texier aufgenommen hat… als nächstes folgte ein klassisches Jazz-Trio Album The Scene is Clean mit Romano und dem hier zu Unrecht noch nirgends genannten Alain-Jean Marie am Klavier… hübsch, aber vielleicht nicht übermäßig spannend, etwas wie eine Rückbesinnung auf die Mainstream-Jazz-Wurzeln, die auf den folgenden Alben vielleicht auf eine interessantere Art verarbeitet werden sollten… so: jetzt kommen die wirklich tollen Alben, Texier gründete eine etwas größere Band (das Azur Quartet/Quintet) mit Glenn Ferris an der Posaune, dem spannenden Pianisten Bojan Z und wechselnden Saxophonisten, darunter sein hochgradig begabter Sohn Sebastien Texier… das sind die Alben An Indian’s Week, Mad Nomad(s) und etwas später Mosaic Man und das etwas schwächere (?) Strings Spirit, auf dem die Band um ein Streichorchester erweitert wird… weiter hat sich der europäische Jazz selten auf Mingus Terrain hinausbewegt ohne seine, äh, Identität zu riskieren, wer mag kann reichlich Folk-Elemente hören… andere Projekte aus jener Zeit sind das tolle Soundtrack Album Remparts d’argile im Trio mit Saxophon (Sebastien Texier) und Schlagzeug (Tony Rabeson), tolle groovende, freie, trotzdem zugängliche Musik… in diese Zeit fällt auch ein weiteres Projekt mehr Richtung ECM Terrain, Respect mit Konitz, Brookmeyer, Swallow, Motian… und dann sind da drei damals zu Recht hochgelobte Alben im Trio mit Louis Sclavis und Aldo Romano, Mitbringsel von einer Afrikareise, vielleicht noch urtümlicher, weniger offensichtlich jazzig als Remparts d’argile oder Ceux qui vielleint la nuit, Carnet de Routes und seine Nachfolger African Flashback und Suite Africaine. Danach gründete Texier nochmal eine neue Band, das Strada Sextet, in dessen Musik neben Mingus (verstärkt…)), ECM und keltischem Folk auch, würd ich behaupten, wieder mehr Rock Elemente zu hören sind, von der Band kenn ich allerdings bisher nur (V)ivre… in dieser Band glänzt zum Beispiel der von gtw oben erwähnte Gitarrist Manu Coodjia, die letzten Alben hab ich noch nicht gehört… beeindruckender „Body of Work“, wenn ihr mich fragt!

ich hab da mal was vorbereitet: Texier in zehn Stücken

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