Re: Johannes Brahms

#5790707  | PERMALINK

fuchs

Registriert seit: 11.07.2007

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Ich kenne das Wort von Beethovens Zehnter, aber halte es für falsch, wobei ich gestehen muss, dass ich Musik mehr über das Hören als über das Lesen erfahre.
Ich finde es gar nicht verkehrt, über Musik, die man sich über das Hören erschlossen hat, anschließend auch Sekundärliteratur zu lesen, aber möchte warnen vor allzu großem Ernstnehmen der Fachliteratur.
Musik berührt m.E. stets primär Seiten im Menschen, die sich einer Verbalisierung zunächst einmal entziehen. Auch hochgeschätzte Musikwissenschaftler tun meist nichts anders, als ihr subjektives Empfinden in scheinbar objektivierbare analytische Gedanken zu fassen.
Das muss man nicht teilen – es gibt keine allgemeingültigen Wahrheiten im Bereich der Kunst. Entscheidend bleibt der eigene Eindruck: „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nie erjagen.“

Und der eigene Eindruck war bei mir im Falle von Brahms 1. immer weit weg von „Beethovens Zehnter“. Bei Beethoven kann ich mich nie des Eindrucks erwehren, dass bei so gut wie allen seinen Werken im Hintergrund die Außenwirkung reflektiert und manchmal auch leeres Stroh gedroschen wird – er ist für mich der erste große Verpackungskünstler, der oft mit Versatzstücken arbeitet, mit rhythmischen Figuren, die sich gern wiederholen und Titanenhaftes generieren sollen – mehr Attitüde als tief empfunden.

Ganz anders Brahms 1. Klar, auch hier etwas Gewaltsames, Brachiales, aber: schmerzvoll – ein „Break on through to the other side“ – ein Wendepunkt, den er nur für sich selbst setzt, höchst privat, nicht für die Galerie wie Beethoven, der alte Showman.

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fuchs "And they couldn't prevent Jack from being happy..."