Re: Robert Wyatt – "Comicopera"

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nikodemus

Registriert seit: 07.03.2004

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Die Musik von Robert Wyatt zu beschreiben, war ja schon immer schwer und auch „Comicopera“ ist wieder ein Konglomerat aus diesem sphärischen Art-Jazz-Folk Ding, welches man von Wyatt schon immer gewohnt war. „Comicopera“ ist allerdings abwechslungsreicher als alle Wyatt Alben zuvor, vereint er doch suitenartig Liebeslieder und Politsongs, englisch mit italienisch bzw. spanisch.
Doch Wyatt ist kein Agitator, mehr ein Beobachter und Erzähler und pflegt eher die Empathie statt dem erhobenen Zeigefinger. Ein Brückenbauer zwischen akustischer Eingängigkeit und lyrischer Tiefe, zwischen Verwunderung ob der ungewohnten Klänge und Faszination der Essenz allen Wyattschen Schaffens: die Stimme, die immer noch zwischen Zeit und Raum zu schweben scheint, wenngleich sie nicht mehr die höchsten Höhen erklimmt, berührt doch immer wieder und hält das ganze Konzept zusammen.

Besonders interessant, wenn Wyatt seine Stimme doppelt und Wyatts (Kopf?-) mit seiner Bruststimme verschmilzt. So erklingt „Just As You Are“ in keinster Weise kitschig oder künstlich und lässt schmalzige Billy Joel Fantasien erst gar nicht aufkommen, dazu diese im RS schön geschilderte Geschichte über das Zusammenleben mit seiner Alfie und ihre Beziehung untereinander, der Kampf mit dem Alkohol und über die Akzeptanz des jeweils anderen.

Der ganze Akt 1, ironischerweise mit „lost In loise“ betitelt, strahlt eine Anziehungskraft und Melodieverliebtheit wie selten zuvor aus. Der zweite, politische Akt „the here and now“ präsentiert sich zu Beginn mit einem Wyattschen Novum, der Bärtige selbst an der Gitarrre intoniert zusammen mit Manzanera und Yaron Stavi an der Bass Violine (!) eine luftige Folknummer. Daraufhin bluest er sich mit lickin’ Weller durch das tragikomische „Be Serious“, addiert karibische Klänge im folgenden Instrumental und schlüpft gen Ende hintereinander in die Rolle des Kriegers/Kriegopfers und schwört: „you’ve plantet everlasting hatred in my heart“.

Aus Trotz verweigert er im kommenden Akt „away with the fairies“ seine Muttersprache und singt nur noch in italienisch/spanisch. Dass das funktionieren kann, hat Wyatts bereits in den 80ern auf ein paar Singles bewiesen, nur weitet er sein Konzept hier aus, bindet nicht nur diese Stücke in seine Harmonieimprovisationen ein, sondern verknüpft sie mit diesen, bereits aus „Rock Bottom“ bekannten, rückwärtslaufenden Tönen, Loops und Schleifen und kehrt zum Ausgangsmotiv von „Just As You Are“ zurück. Brücken bilden, wie gehabt. Zum Ende spielt er noch die Latinohymne auf den Comandante und warum auch immer, es passt. Ein neuer, alter Wyatt und so ist auch „Comicopera“ wie ein guter alter Wein in neuen Schläuchen

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and now we rise and we are everywhere