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Bernd Glodek (Hamburg) hat für das Außenseiterlexikon von Rocksession 4 das folgende Shel Silverstein-Porträt beigesteuert, das aus einer Einleitung und einem Interview besteht und gewiss den einen und die andere interessieren wird (Die Wiedergabe des bislang eher schwer verfügbaren Textes erfolgt mit der freundlichen Genehmigung von Bernd Glodek, der weiterhin das Copyright besitzt).
Bernd Glodek: Shel Silverstein (Aus Rocksession 4. S.384f.)
Bernd Glodek: Shel Silverstein, 1932 in Chicago geboren, ist ein Multitalent. Er zeichnet Cartoons, schreibt Bücher und ist obendrein eine der schillerndsten Figuren der amerikanischen Musikszene. Obgleich viele seiner Songs zu Hits wurden, ist Shel Silverstein selbst immer im Hintergrund geblieben; er ist menschenscheu, und seine Art zu leben, ist ebenso skurril wie viele seiner Songs. In einem Interview erzählte er einiges über sein Leben und über seine Musik.
Bernd Glodek: Dein erstes Album «Inside Folk Songs» wurde stark von der Folkbewegung in den USA beeinflußt. Wie bist Du zu dieser Musik gekommen?
Shel Silverstein: Nein, Nein – meine erste LP war nicht «Inside Folk Songs», denn die kam erst 1962. Davor war noch «Hairy Jazz», eine Platte, die ich mit der Red Onion Jazz Band in Greenwich Village gemacht habe. Die Platte erschien 1959 bei Elektra, die waren damals gerade gegründet worden, doch ich glaube, daß kaum jemand sie gekauft hat. Elektra hat sie dann für einen Dollar verscheuert, aber neulich hat mir jemand gesagt, daß er 40 Dollar dafür ausgegeben hat. Ja, so geht das manchmal. Nicht einmal Elektra hat noch ein Exemplar, das war alles etwas chaotisch in der ersten Zeit bei denen. Kurz darauf habe ich Bob Gibson kennengelernt, der Mitglied der New Christy Minstrels war und nach einigen Soloplatten später mit Kenny Rogers die First Edition gegründet hat. Zusammen mit Bob Gibson habe ich viele Songs geschrieben.
Bernd Glodek: Wie ging es dann weiter, als die Folkbewegung zu Ende ging?
Shel Silverstein: Ich habe dann 1965 und 1967 noch zwei Alben mit sehr sozialkritischen Texten gemacht, die auf dem kleinen Label Cadet erschienen. Damals bin ich hin und wieder in kleinen Clubs aufgetreten, und meine Lieder waren voller Ironie, beißendem Spott und auch spaßig-ironisch wie «Oh, They’re Testing The Bomb / As I’m Singing This Song / They Say Not To Worry / ‚Cause Nothing Can’t Go Wrong / They’re Testing The Bomb / As I’m Singing This Song / They Say Not To Worry/’Cause Nothing Ca- – – »
Bernd Glodek: Und kurz darauf bist Du nach Nashville gegangen und hast für Johnny Cash den Song A Boy Named Sue geschrieben?
Shel Silverstein: Ich habe niemals nur in dieser oder jener Stadt gelebt, jedenfalls nicht so, was man normalerweise darunter versteht. Ich habe noch heute mein Apartment in Greenwich Village, und seit der Zeit der Hippybewegung wohne ich gelegentlich auf meinem Hausboot in Sausalito. Wenn Du meine vierzehn oder fünfzehn Adressen überall in den USA nimmst, dann bin ich im herkömmlichen Sinn nirgendwo zu Hause. A Boy Named Sue habe ich 1969 für mein eigenes Album geschrieben. Johnny Cash hat es dann übernommen, und es ist bis heute – glaube ich – sein größter Hit.
Bernd Glodek: Wie hast Du dann die Jungs von Dr. Hook kennengelernt?
Shel Silverstein: Ich hatte die Musik für den Film «Ned Kelly» geschrieben, in dem Mick Jagger sein Filmdebüt gab. Und ich schrieb die Musik für den Dustin Hoffman-Streifen «Who Is Harry Kellerman And Why Is He Saying Those Terrible Thing About Me?». Mein Freund Ron Haffkins schleppte für die Musik eine unbekannte Gruppe aus New Jersey an, die sich Dr. Hook & The Medicine Show nannten. Ja, und der Rest ist Geschichte. Sylvia’s Mother, Cover Of Rolling Stone und The Queen Of The Silver Dollar kennen fast alle. Mein eigenes Album «Freakin‘ At The Freakers Ball», bei dem die Jungs kräftig mitgrölten, zirkulierte dennoch nur als Geheimtip. Es ist übrigens das einzige von mir, das bei Euch in Europa veröffentlicht wurde.
Shel Silverstein bekommt leuchtende Augen, wenn er von Dr. Hook spricht. «I Love Those Fucking Guys», sagt er. Neben der Musik ist er mit anderen Dingen vollauf beschäftigt. Seit 1956 zeichnet er für den US-Playboy Cartoons und schreibt und zeichnet Bücher für Kinder jeden Alters. «The Giving Tree», «Where The Sidewalk Ends» oder «Different Dances», um nur wenige aus einem runden Dutzend zu nennen, sind Ausdruck seines Schalkes und seiner Schlitzohrigkeit. Er selbst sieht zum Fürchten aus. Seine Glatze, der Vollbart und die tiefe, etwas bärbeißige Stimme sind so etwas wie sein Markenzeichen. Nicht selten schon haben Hotelportiers ihn rausgeworfen, weil sie ihn für einen abgerissenen Penner hielten.
Discographie
«Hairy Jazz» (Elektra 176)
«Inside Folk Songs» (Atlantic 8072)
«I’m So Good That I Don’t Have To Brag» (Cadet 4052)
«Drain My Brain» (Cadet 4054)
«»Boy Names Sue« And His Other Country Songs» (RCA 4192)
«Freakin‘ At The Freakers Ball» (CBS 65452)
«Songs And Stories» (Parachute 9007)
Die Bücher sind erschienen bei Harper & Row, New York.
Bernd Glodek: Shel Silverstein. Aus: Humann Klaus / Carl-Ludwig Reichert: Rocksession 4. 1980. S.384f. Copyright: Bernd Glodek, Hamburg.
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