Re: Dies und das zum Thema Film

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napoleon-dynamite
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Ekkehard Knörer im Interview:

Die entscheidende Frage beim Schreiben für ein – meist ja: imaginiert – bestimmtes Publikum, sei es groß oder klein, ist immer die, was man voraussetzen kann und was nicht. Im Feuilleton kann ich eigentlich nicht, sagen wir, Plansequenz schreiben – und das dann nicht erklären. Das werden die nicht filmgebildeten Leser schlicht nicht verstehen. Und ich kann noch weniger voraussetzen als in der Literaturkritik, denn Filmfachbegriffe hat man ja in der Schule in aller Regel noch nicht mal von ferne gehört. Man muss sich andererseits nicht dran halten, ich finde es sehr wichtig, dass man das Publikum immer wieder auch vor den Kopf stößt, indem man es mit Unverständlichem konfrontiert. Ich persönlich freue mich, wenn ich in einem Text auf ein Wort stoße, das ich nicht kenne. Im Grunde ist die Abneigung gegen fremde Wörter eine Form von Xenophobie. Und man wird auch nicht schlauer, wenn man ständig serviert und bestätigt bekommt, was man ohnehin schon zu kennen und zu wissen glaubt. Außerdem kann ich nicht ständig den ganzen Platz dafür aufwenden, zu erklären, was eine Plansequenz ist bzw. zu umschreiben, was ich mit „Plansequenz“ kurz und knapp auf den Begriff bringen kann. Aber manche Redakteure, die meisten vermutlich, schreiten da ein, weil sie die Leserschaft für unmündig halten. Ist ja klar, dass man ihnen keine filmwissenschaftlichen Traktate vorsetzen kann. Zu meiner Utopie eines Feuilletons, das die Leser nicht für dumm hält, gehört ein gewisses Maß an Überforderungstoleranz, und zwar nicht (jedenfalls nicht nur) aus Prinzip, sondern weil ernsthafte Gegenstände der Kunst nun einmal genau das sind: schwierig, überfordernd, unverständlich oder mindestens so schlau, dass man nach der ersten Begeisterung noch viel über sie nachdenken und sagen kann. Das gilt übrigens auch für popkulturelle Gegenstände; die sind eher noch vertrackter, weil sie ihre Kompliziertheit, die aus den Kontexten kommt, meist auch noch unsichtbar machen.

Aber bei so einem Approach schnappen schnell alle möglichen antiintellektuellen Ressentiments ein, die man an so ekelhaften Wörtern wie „prätentiös“, „elitär“ oder – mein ganz besonderer Liebling – „verkopft“ erkennt. Bei Internet-Plattformen wie moviepilot hat man diese Brühe dann ganz unverdünnt in den Kommentaren. Und, zurück zur Frage: Selbstverständlich gibt es neben Filmkritik und Filmwissenschaft noch den Normalfall, nämlich die neunzig Prozent gedankenloser PR- und Servicetexte, die sich als Kritik ausgeben, aber alles andere als das sind, sondern reiner Phrasenmüll.

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A Kiss in the Dreamhouse