Re: Franz Schubert

#5601223  | PERMALINK

Anonym
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Bezüglich der Stimmlage

Um auch einmal in den anderen Karzern der Klassik vorbeizuschauen …

Besonders bei der „Winterreise“ finde ich die Frage der Stimmlage ganz unerheblich, zumal Männlein und Weiblein da auch Gemeinsamkeiten haben. Zunächst: ich halte es für ein grandioses Missverständnis, dass da ein einsamer Mann, wie man sich ihn vorstellen mag, durch die Gegend geht und seinen Schmerz vorbeibringt. Damit meine ich nicht einmal die Deutung, dass das verborgene politische Lieder gegen Metternich seien; sondern den schlichten Gestus der Einsamkeit. Ihn hinauszubrüllen oder auch -zuwiegen, das höre ich bei Fischer-Dieskau, Haefliger, sogar Schreier, obwohl nicht so sehr. Und ein Klavier, das sich etwas denkt, was zumal bei den F-D-Leuten nicht so sehr geschieht.

Nein, für die „Winterreise“ brauche ich entschieden die Frauen. Also vor allem Fassbaender – und Reimann. Das ist die Kontrafaktur zu F-D und Moore, Brendel (Demus konnte ich zu wenig hören, um ihn hier einordnen zu wollen), schwer, getragen auch im Klavier, aber im „Frühlingstraum“ kann sie nun einmal besser schreien als die Männer.

Das ist nur eine schlichte, unbeholfene Vorrede für Christine Schäfer und Eric Schneider. Ich habe keine Lust, Verbindungen zu ihrem Leben in der Zeit um die Einspielung herum zu ziehen, die ich ja auch nur aus herbeigezogenen Nachrichten aus dem Netz kenne. Ich weiß nicht, was da mit ihr vorgeht, denn die anderen Aufnahmen von ihr waren mir gleichgültig. Aber in der „Winterreise“, das ist der verschlagene Terror des Todes (der das männliche Gejaul als dumme Süße entlarvt), der dann doch in sein Ebenbild umschlägt, das schwer zu sagen ist.

Wenn ich wissen will, ob ich etwas mit einer „Winterreise“-Einspielung anfangen kann, gehe ich gleich zum letzten Lied. Wenn das Klavier da nicht verzogen-zögernd ohne Atem die ersten Takte nimmt, hoffe ich nichts für das andere. Gerald Moore z. B. ist mir da ein großer Langweiler, Brendel – wie immer – jemand, der so tut, der es ja wissen muss, aber nichts macht.

Dann noch: Jemand sagte hier irgendwann einmal, Schubert hätte zu viele Noten. Das stimmt nicht. Da sind fast keine. Es bleibt ein Rätsel für mich, was die Leute aus dem Wenigem machen, wie sie in eine kleine notierte Note ein Bewusstsein legen.

Der Schäfer/Schneider-Aufnahme stehen diese Worte von Thomas Brasch voran:

Was ich habe, will ich nicht verlieren, aber
Wo ich bin, will ich nicht bleiben, aber
Die ich liebe, will ich nicht verlassen, aber
Die ich kenne, will ich nicht mehr sehen, aber
Wo ich lebe, da will ich nicht sterben, aber
Wo ich sterbe, da will ich nicht hin:
Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.

Das stimmt, so singt sie. In diesem Furor, den Fassbaender auch hat, aber gemildert – oder wissender, da sie älter ist und darum ein wenig ruhiger, aber nur ein wenig.

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