Re: Hang the DJ Pt.2

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thelonica

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Wolfgang Doebeling

@ THELONICA

Ein ganzer Komplex von Fragen und Fehlern. Dein Satz von „Wegen“ bis „gross“ gibt nicht den geringsten Sinn, denn in der Blütezeit des Folk-Revivals gab es weder Rock noch Disco noch „Wave“ noch Rap. Wir sprechen hier über die Zeit zwischen den späten Fifties und den Mid-Sixties. Die große Zeit des britischen Folk-Rock waren dann die zehn Jahre danach (bis ca.1977). Zu meinem Interesse/“Auslöser“: Wer in den Sixties die englische Musikpresse verfolgte, kam um Folk nicht herum. Im „Melody Maker“ etwa gab es wöchentlich die „Folk“-Kolumne von Fred Dellar, sowie seitenweise Platten- und Konzert-Reviews. Topic war übrigens kein „kleineres“, sondern neben Transatlantic das größte und bedeutendste Folk-Label. Wer also regelmäßig nach England kam und nicht mit musikalischen Scheuklappen geschlagen war, wurde schnell des ungeheuer lebendigen Folk Circuit gewahr, ein Netzwerk hunderter Pubs und Clubs, wo landesweit allabendlich Folk stattfand. Was ich mit wachsendem Vergnügen wahrnahm, wann immer ich mich in England aufhielt. Und das war so oft wie ich es irgendwie finanzieren konnte (bin allerdings mit sehr wenig Geld ausgekommen damals). Meine frühesten Folk-Berührungen bewußter Art (also jenseits von Standup-Sängern in Pubs und Parks) muß 1966 gewesen sein anläßlich meines ersten „National Jazz & Blues Festivals“. Die fanden jährlich statt, in Plumpton oder Sunbury oder Torquay, zum Glück im Sommer, während meiner Schulferien. Dort erlebte ich Ende der Sixties neben den üblichen Verdächtigen (Pink Floyd, The Who, The Nice, The Moody Blues, Tyrannosaurus Rex, etc.) auch etliche Folk-Acts wie Martin Carthy, Bert Jansch, Roy Harper, etc. sowie die ersten Gehversuche von Folk-Rock-Bands wie Fairport, Pentangle, Mr.Fox, etc. – kurzum: Folk war in England damals einer der Motoren musikalischer Evolution und keineswegs exotisch oder gar exklusiv. Mick Jagger und Marianne Faithfull zum Beispiel sah man häufig bei Folk-Events, Jimmy Page spielte auf Platten von Al Stewart und Roy Harper, Jimi Hendrix saß bei Carthy-Gigs in der ersten Reihe, auf dessen Finger starrend. In der BRD kam von all dem nicht viel an seinerzeit. Abgesehen von ganz wenigen Acts (Fairport, Steeleye, Pentangle, Thompsons), gab es Folk in deutschen Läden auch nicht zu kaufen. Shirley Collins? Dave Swarbrick? Davey Graham? No way. Ich lief mir die Hacken danach ab, vergebens. Brachte sie dann aus England mit. In den hiesigen Medien fand Brit-Folk natürlich auch nicht statt. Das ohnehin gigantische Gefälle in Sachen Pop-Wahrnehmung zwischen dem UK und der deutschen Diaspora war beim Folk in den Sixties ein freier Fall ins next-to-nothing. In Berlin änderte sich das erst ab 1969, mit UK-Bestsellern wie „Liege & Lief“, die in diversen Läden auftauchten, weil Island eine deutsche Dependance gründete. Ansonsten blieb das Folk-Angebot selbst in Berliner Plattenläden erbärmlich. Beantwortet das Deine Fragen?

Bestens. Danke für die Info. Die Situation in den Plattenläden (hier in der BRD) ist heute immer noch so, abgesehen von wenigen Ausnahmen vielleicht. Eigentlich ist das doch traurig.

PS: Wegen Rock, Disco, Wave, Pop und Rap wurde (British) Folk später wohl nie so richtig gross. Pop/Rock etc. wird ja etwas aggressiver vermarktet. So war es gemeint. Ich habe noch ein „später“ eingefügt.

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