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nail75Wolfgang, ich habe von Dir und durch Dich sehr viele Anregungen in Bezug auf gute Musik erhalten und dafür bin ich Dir dankbar. Ich lese auch immer wieder gerne Deine Berichte und Kritiken und höre (nicht immer, aber oft) Roots.
Allerdings stören mich gewisse dogmatische (oder ideologische) Grundhaltungen, die Du immer wieder äußerst und die für sehr fragwürdig halte. Diese Äußerungen werden von Anderen dann aufgegriffen (oder sie sind selbst zu denselben Erkenntnissen gelangt – das will ich jetzt hier gar nicht thematisieren) und in einer Vehemenz vertreten, die keinen Widerspruch zuzulassen scheint.
Die beiden obigen Fragen beziehen sich auf solche Themen. Mir ist bewusst, dass ich Dir im „Country“-Thread unterstellt habe, die Thesen, im Jazz sei nach 1970 nichts mehr „Ernsthaftes“ entstanden bzw. europäischer Jazz tauge nichts oder sei eben kein Jazz mehr, seien von Dir ausgegangen. Daraufhin widersprach jemand und meinte, Du wärst nicht dieser Meinung (der entsprechende Post ist inzwischen gelöscht). Das wollte ich gerne klären.
Zum ersten Absatz: Ich nehme erfreut zur Kenntnis, daß Du wie ich die alten Höflichkeits-Versalien in der Anrede verwendest. Hoffentlich dreht Dir keiner einen Strick daraus („nail75 ist zu den Doebeling-Vasallen desertiert“ oder so).
Zum zweiten Absatz: Keine Ahnung, wovon Du redest. Hoffentlich nicht von Überzeugungen. Die auf intensivsten/extensivsten Studien und Erfahrungen basieren. Erkenntnisse mithin, keine Dogmen. Ideologie? Wüßte wirklich nicht wo.
Zum dritten Absatz: Vielleicht nimmst Du Dir mal die Zeit, im Jazz-Forum ein paar alte Diskussionen durchzulesen, die von den Leuten geführt wurden, die Du als Ferkel verunglimpft hast. Zum Beispiel den Thread „Das Schlagzeug im Jazz“ oder so ähnlich. Nichts tiefgründiges natürlich (ist hier schließlich alles bloß Cyber-Geplänkel), mehr ein unterhaltsamer Schlagabtausch zwischen einander respektierenden Musikliebhabern, die kleine Differenzen austragen, indes vom gleichen Boden aus (ohne irgendwie hörig zu sein). Die These, Jazz sei nur Amerika und seit 1967 sowieso tot, habe ich nie vertreten. Freilich hatte der Jazz dort und damals seine Blütezeit, sowohl musikalisch wie auch auf der kulturellen Bedeutungsebene. Ähnliches gilt für Blues, Honky Tonk, Rockabilly, DooWop, Soul oder Surf. Und so sind fraglos (fast) alle wichtigen Aufnahmen dieser Genres/Stile in einer bestimmten Epoche, an bestimmten soziokulturellen Schnittstellen passiert. Anders ausgedrückt: Kansas City 1939 ist nicht Oslo 2007, der Cotton Club in Harlem zur Zeit der Prohibition ist eine fundamental andere Kultur-Koordinate als Ronnie Scott’s in der Oxford Street heute. Jazz wurde und wird hier wie dort gemacht, doch hat er damals auch gebrannt, an beiden Enden, heute wird er gepflegt, entweder eher restaurativ oder modern, mehr oder weniger virtuos/inspiriert. Auch in Europa. Und in Asien. Und…
Auch wenn Deine Fragen damit womöglich nur vorläufig beantwortet sind, muß ich jetzt erstmal weg.
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