Re: Mikkos Album des Monats

#5347015  | PERMALINK

mikko
Moderator
Moderator / Juontaja

Registriert seit: 15.02.2004

Beiträge: 34,399

The Groovy Cellar – Affordable Art For All (LP, Firestation Records)

Besetzung:

Olaf Schumacher – vocals, guitar
Knut Eigler – guitar
Siegmar Kesselmann – piano, organ, backing vocals
Gunnar Berndorff – drums, voices
Matthias Hanich – bass, vocals

Trackliste:

Ask Mr. Magic
My Bavarian Town
Wasn’t It You
Au Jardin du Luxembourg
Where Have All The Good Guys Gone
Loot

I See You And I See Myself In You
I Need Your Love
Emily Jones
I Stand Accused
Water
My Bavarian Town – Reprise

Platten kurz vor Jahresende zu veröffentlichen, das ist immer ein bisschen riskant. Die meisten Jahresrückblicke sind geschrieben, die meisten Polls abgeschlossen. Reviews erscheinen fast immer erst im neuen Jahr, es sei denn man hat lange vor VÖ Promos versandt. In diesem Fall hätten das höchstens Tapes oder gebrannte CDs sein können. Keine befriedigende Vorstellung. Aber bei dieser Band und ihrer wirklich großartigen Musik spielt das alles eigentlich auch keine Rolle. The Groovy Cellar kenne ich von Anfang an. Auch ganz persönlich. Das macht einen völlig unbefangenen kritischen Blick zumindest nicht leichter. Andererseits ist aber auch das letztlich nicht entscheidend bei der Beurteilung dieser LP. Die genaue Kenntnis von Umständen und Werden der Platte erleichtert ja auch den Zugang und die Einordnung. Um es gleich vorweg zu nehmen, das Album des Jahres ist diese zweite LP der Berliner Mod Pop Institution ganz knapp nicht geworden. Aber natürlich ist es die mit Abstand beste LP aus Deutschland in diesem Jahr, ja in diesem Jahrtausend. Vor 17 Jahren erschien das erste Album von The Groovy Cellar, damals nur als CD beim Hamburger Label Marsh Marigold. Nun also der zweite Longplayer und dieses Mal nur auf Vinyl. Die Band existiert seit über 20 Jahren und ging aus der Berliner Mod und Beat Pop Szene hervor. Die wichtigste Konstante ist wohl der Hauptsänger und Songschreiber Olaf „Mr. Magic“ Schumacher, der inzwischen ja auch als DJ The Magic Shoemaker bei Northern Soul Allnightern bekannt ist. Olaf kam Mitte der 80er aus Südwestdeutschland nach Berlin zum Studieren und Musizieren. Als großer Dan Treacy und TV Personalities Fan gründete er das Trio The Most Wanted Men, bei dem er schon sehr bald sein großartiges Songwritingtalent präsentieren konnte. Und auch die Songs, die er über die Jahre für The Groovy Cellar schrieb, sind allesamt sehr gelungen ganz in der Tradition britischer Songwriter von den Sixties bis in die Gegenwart. Dabei sind die Geschichten, die seine Songs erzählen, in aller Regel selbst erlebte bzw. aus dem unmittelbaren Umfeld gespeiste. Neben Olaf steuert auch Matthias Hanich ein paar Songs bei, die zumeist seine eher frankophile Ader spiegeln. In den frühen 90ern war er auch mal als Pierre Le Fou solo unterwegs. Und auch die anderen Musiker der Band spielten zuvor in anderen Berliner Bands, die allesamt mal zum Kreis der Twang! recording artists gehörten. Die Musik auf dieser LP ist Mod Pop im weitesten Sinn, sehr Britpop affin. Einige der unmittelbaren Vorbilder sind in einer Collage auf dem Backcover zu sehen. Da sind The TVP’s natürlich, The Times, The Jam, The Kinks, The Beatles und The Small Faces. Und ja, alle genannten haben auf die eine oder andere Weise abgefärbt auf Sound, Songwriting, Auftreten von The Groovy Cellar. Übrigens ist der Bandname von einem Londoner Club aus den frühen Achtzigern entlehnt. Neben den eigenen Songs finden sich auch drei sorgfältig ausgewählte Cover auf der Platte. Da ist zunächst das ganz hervorragende „Wasn’t It You“ (Goffin/King), das Insider von The Action kennen. Die Vorlage für The Groovy Cellar war aber wohl eher die Version von Lynne Randell, einer australischen Sängerin, die in Northern Soul Kreisen inzwischen für ein paar Singles sehr geschätzt wird. Ihr „Wasn’t It You“ ist nur in den USA auf einem kleinen Label erschienen und in Topzustand so gut wie unmöglich zu finden. The Groovy Cellar interpretieren den Titel etwas verhaltener aber mit sehr viel Gefühl für die richtige Stimmung. „I Need Your Love“ (Mike Hugg) stammt im Orginal vom „Up The Junction“ Soundtrack von Manfred Mann. Bei The Groovy Cellar wird dieses kleine Liebeslied von Claudia Sturm gesungen, die einst als Claudia Fitzi fest zum Line Up gehörte, inzwischen aber mit ihrer Familie weit weg von Berlin lebt. Schließlich ist da noch der Northern Soul Klassiker „I Stand Accused“ von Tony Colton, den The Groovy Cellar mit viel Respekt und mit der nötigen Bläser Unterstützung darbieten. Die eigenen Songs sind wie gesagt alle sehr hörenswert. Am schönsten und mir persönlich wirklich nahe gehend ist „I See You And I See Myself In You“. Einer der schönsten Popsongs, die je geschrieben wurden. ****1/2

--

Twang-Bang-Wah-Wah-Zoing! - Die nächste Guitars Galore Rundfunk Übertragung ist am Donnerstag, 19. September 2019 von 20-21 Uhr auf der Berliner UKW Frequenz 91,0 Mhz, im Berliner Kabel 92,6 Mhz oder als Livestream über www.alex-berlin.de mit neuen Schallplatten und Konzert Tipps! - Die nächste Guitars Galore Sendung auf radio stone.fm ist am Dienstag, 17. September 2019 von 20 - 21 Uhr mit US Garage & Psychedelic Sounds der Sixties!