Startseite › Foren › Verschiedene Kleinode von Bedeutung › News & Gossip › dead & gone von Film- und Fernsehschaffenden › Re: dead & gone von Film- und Fernsehschaffenden
Aus seinem filmischen Archiv mag ich „Egomania“ am liebsten; rückblickend wohl auch, weil hier schon sein späterer Flirt mit der „Hochkultur“ durchschimmert.
Doch in erster Linie wird Schlingensief für mich immer einer der großartigsten gesellschaftskritischen Aktionskünstler in Beuysscher Traditionslinie bleiben (hiernach vielleicht nur noch Meese).
Seit ca. zwei Jahrzehnten kam mir selten ein Gespräch zur kulturellen Lage der Nation ohne die Frage „Gibts was Neues von Schlingensief?“ aus.
Weltbildprägend sein Auftritt in meinem Heimatstädtchen, 2002, einen Tag vor der Bundestagswahl. Erwartet haben wir eine mehr oder minder gemütliche Lesesitzung zur Veröffentlichung von „Nazis rein“. Geboten bekamen wir eine fast dreistündige One-Man-Show, in der Schlingensief seinen Kunstbegriff zwischen Voodoo, Adorno, der Tirade gegen Schröders „uneingeschränkte Solidarität“, einem Abgesang auf den Börsen-Wahn, Quiz und wüsten Publikumsbeschimpfungen wie ein Derwisch durch die Hallen jagend zum Besten gab. „Sei realistisch, plane ein Wunder“ schrieb er mir anschließend ins Büchlein. Unvergessen.
--
"Wenn man richtig liest, löst man einen innerlichen kreativen Prozess aus. Die meisten Leser inszenieren einen Film. Weswegen es überhaupt kein Wunder ist und mediengeschichtlich konsequent, dass der Roman des 18. und 19. Jahrhunderts in die Erzählkino-Kultur des 20. Jahrhunderts übergegangen ist." (Peter Sloterdijk)