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gypsy tail windAnsonsten, Monk-Einstieg… vielleicht Solo? Mit dem San Francisco-Album?
Oder im Quartett mit Coltrane (Carnegie Hall) oder Griffin (Misterioso/In Action). Oder im Trio (Ellington/Unique). Oder durchaus auch mit einem der späteren Alben (Criss Cross/Monk’s Dream/Straight No Chaser). Oder mit den grossartigen Blue Note-Aufnahmen, mit denen ja eigentlich schon fast alles gesagt ist.Schwer zu sagen, hängt wohl sehr davon ab, woher man kommt.
Ein kleines Gedankenspiel:
Viele Wege führen zu Thelonious Monk. Würde man mich auffordern einem Neuling einen einfachen Weg zu Monks Musik zu weisen, bei dem der Fahrpreis auf dem digitalen Flohmarkt nicht mehr als € 25 beträgt, böte ich folgende 3 Möglichkeiten an:
MÖGLICHKEIT NR. 1
Höre dir diese 3 Kompilationen an.
THE BEST OF THE BLUE NOTE YEARS
http://www.allmusic.com/album/the-best-of-the-blue-note-years-r144139
16 Aufnahmen aus den Jahren 1947-48 und 51-52 für Blue Note, seine ersten als Leader überhaupt. Musikalisch wohl das prägnanteste, gleichzeitig auch sperrigste was er gemacht hat. Nicht unbedingt leicht zugänglich – wozu auch der gewöhnungsbedürftige Schelllacksound beiträgt – aber unverzichtbar. Es wurde hier ja schon gesagt: Mit diesen Aufnahmen hat Monk eigentlich schon alles gesagt. Nicht nur sein Stil ist schon voll ausgeprägt, auch hat er einen großen Teil seiner Kompositionen bereits geschrieben, darunter die Klassiker ROUND MIDNIGHT, MISTERIOSO, WELL, YOU NEEDN’T und STRAIGHT NO CHASER. Was er von da an tut, ist Variation und Ausschmückung. Essentielle Musik des 20. Jahrhunderts.
THELONIOUS MONK 85th BIRTHDAY CELEBRATION
http://www.amazon.de/Birthday-Celebration-85th-Thelonious-Monk/dp/B00006JYD0
Eine scheinbar „billige“, aber tatsächlich sehr gut gemachte und sehr umfangreiche Zusammenstellung mit 36 Stücken aus Monks fruchtbarster Periode von Anfang der 50er bis Anfang der 60er (plus zwei obskure Aufnahmen als Sideman von 1941 bzw. 44), in der er vor allem für Prestige und Riverside aufnahm. Thelonious Monk in voller Blüte in verschiedenen Settings von Solo-Piano bis Tentett mir verschiedenen Sidemen von Sonny Rollins über John Coltrane und Coleman Hawkins bis zu seinem langjährigen Partner Charlie Rouse.
THE ESSENTIAL THELONIOUS MONK
http://www.allmusic.com/album/the-essential-thelonious-monk-2003-r635326/review
11 Aufnahmen von 1962 – 1968 aus Monks Zeit bei Columbia. Wohl typisch für diese Periode: enthält kein einziges Stück, das er nicht schon vorher für andere Labels aufgenommen hat, aber in der Regel in gut gereiften Versionen auf höchstem Niveau.
MÖGLICHKEIT NR. 2: Höre dir diese 3 Alben aus verschieden Phasen an.
GENIUS OF MODERN MUSIC, VOL. 1
http://www.allmusic.com/album/genius-of-modern-music-vol-1-2001-bonus-tracks-r144149
Es gibt von der Zeitschrift WIRE eine Liste mit „100 Records That Set The World On Fire (while no one was listening)“, die stilübergreifend Platten aufzählt, die zumindest zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme oder Veröffentlichung als Obskuritäten galten und dadurch keiner größeren Öffentlichkeit bekannt wurden, aber künstlerisch bahnbrechend oder zumindest herausragend waren. GENIUS OF MODERN MUSIC, VOL. 1 wird darin nicht erwähnt, sollte es aber. Dies sind die allerersten Aufnahmen, die Thelonious Monk 1947 als Leader gemacht hat, absolut originell, unverdünnt und kompromisslos – und zum Veröffentlichungszeitpunkt leider so gut wie unverkäuflich. Heute gelten sie als der Heilige Gral von Thelonious Monks Musik. Streng genommen ist dies eine Kompilation, denn 1947 gab es noch keine LPs, aber da alle Aufnahmen von nur 2 Sessions Ende 1947 stammen, kann man hier auch mal Fünfe gerade sein lassen.
BRILLANT CORNERS
http://www.allmusic.com/album/brilliant-corners-r144141
Weder Blue Note noch Prestige war es gelungen Monk am Markt zu platzieren. Erst Thelonious Monks drittes Album für Riverside von 1957 – also 10 Jahre nach seinem Debut als Leader und im Alter von schon 40 Jahren! – brachte den Durchbruch bei Kritik und Publikum. Drei neue Kompositionen, ein bewährter Monk Klassiker und ein Standard als Piano-Solo, hier endlich mal sorgfältig produziert, was bei seinen Aufnahmen für Prestige leider nicht immer der Fall war. BRILLANT CORNERS ist eine Quintett-Aufnahme mit u.a. Sonny Rollins und Max Roach, die damals schon alte Weggefährten von Monk waren.
CRISS-CROSS
http://www.allmusic.com/album/criss-cross-r144147
Thelonious Monks zweites Album für Columbia von 1963, die das ernteten, was Blue Note, Prestige und Riverside gesät und jahrelang gepäppelt hatten. Aber so ist das business wohl. Thelonious Monk, absolut souverän, mit seinem perfekt eingespielten Quartett, sauber produziert von Teo Macero. Sein erstes Album für Columbia, MONK’S DREAM, das in der gleichen Besetzung und teilweise während der gleichen Sessions aufgenommen wurde, ist praktisch gleichwertig. Ich bevorzuge CRISS CROSS wegen des zupackenden Titelstücks und dem anrührenden CREPUSCULE WTH NELLIE. Der größte Vorteil dieser beiden Alben, deren gereifte Perfektion, wird im weiteren Verlauf von Monks Zusammenarbeit mit Columbia aber auch gleichzeitig zum Nachteil: Eigentlich hört man hier nichts mehr, was man nicht schon von den Blue Note, Prestige und Riverside-Aufnahmen kennt. Thelonious Monk führt sein Können hier zwar auf höchstem Niveau vor und das ist daher absolut hörenswert. Von da an begann er sich aber mehr und mehr zu wiederholen.
MÖGLICHKEIT NR. 3: Höre dir Thelonious Monk in diesen drei Besetzungen an.
ALONE IN SAN FRANCISCO
http://www.allmusic.com/album/thelonious-alone-in-san-francisco-r144132
Es gibt nur eine handvoll Solo-Aufnahmen von Monk. Diese von 1959 ist die dritte nach einer etwas obskuren französischen Aufnahme von 54 (die ich zugegeben nicht kenne) und einer Platte von 1957, auf der er aber ausschließlich Standards spielt. Auf SAN FRANCISCO arbeitet Monk sich ganz alleine ebenso konzentriert wie gelassen durch 6 Originale und 4 Standards, verzögert oder beschleunigt Tempi nach Belieben, baut hier und da Kunstpausen ein, lässt auch mal paar Töne runterpurzeln, die er später wieder aufhebt schnell nachholt und hört sich so an als spiele er nur für sich selbst.
BRILLANT CORNERS
http://www.allmusic.com/album/brilliant-corners-r144141
Eine Quintett-Aufnahme, die ich oben bereits beschrieben habe.
THE THELONIOUS MONK ORCHESTRA AT TOWN HALL
http://www.allmusic.com/album/the-thelonious-monk-orchestra-at-town-hall-r144173
Wenn es nur ein paar handvoll Solo-Aufnahmen von Monk gibt, so sind Aufnahmen mit größeren Besetzungen noch dünner gesät. Meines Wissens gibt es nur diese Tentett-Aufnahme von 1959 auf Riverside und zwei auf Columbia, eine gute wenn auch etwas routiniert geratene von 1963 und eine weitere mit großem Orchester und Streichern von 1968, die aber jeder wahre Monk-Freund aufgrund ihrer zuckrigen Arrangements von Oliver Nelson naserümpfend links liegen lässt. Die Live-Aufnahme TOWN HALL ist die beste, weil knackigste. Der Arrangeur Hall Overton hat das Monk Quartet geschickt um 6 weitere Bläser verstärkt, die Monk Musik etwas – äh … – aufblasen. Das ist auf MONK’S MOOD sehr stimmungsvoll, auf LITTLE ROOTIE TOOTIE hingegen turbulent. Sollte man gehört haben.
Wenn das Budget an Zeit und Geld aber sehr beschränkt ist, nur eine gute Stunde und weniger als € 10 zu Verfügung stehen, dann greif doch einfach zu dieser Platte:
KEN BURNS JAZZ: THELONIOUS MONK
http://www.allmusic.com/album/ken-burns-jazz-r506132
Ich kenne die Platte offen gesagt nicht. Scheint aber ein guter Querschnitt durch alle Phasen von Monks Karriere zu sein, mit Solo-Aufnahmen, Combo und mindestens einer Einspielung mit Orchester. Kann man wohl nichts mit falsch machen.
Und da das Auge bekanntlich mithört, empfehle ich noch die Dokumentation STRAIGHT, NO CHASER von Charlotte Zwerin:
http://www.youtube.com/watch?v=OyfEddS41nM
Man kann bei diesen Vorschlägen einzelne Alben durch andere ersetzen, die eine Solo-Platte durch eine andere, BRILLANT CORNERS durch die CARNEGIE HALL Platte mit Coltrane usw. usf., aber das sind Feinheiten, über die sich sicher trefflich diskutieren lässt. Ich glaube, hiemit ist man fürs Erste aber eigentlich ganz gut versorgt.
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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler)