Re: Sun Ra

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vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

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oh, da liest jemand mit, wie schön! ;-)

eine sehr aufregende und schwierige kiste, wenn race, class & gender so unreflektiert mit- und aufeinander reagieren, in brenzligen zeiten. das wächst ja selbst dem autor dieses analyseversuchs über den kopf, denn die – in all diesen aspekten wahnsinnig interessante – figur sun ras lässt er ja weitestgehend aus. der hat natürlich versucht, sein arkestra von allen „ablenkungen“ abzuschirmen, seien es nun drogen oder sex – aber man kann auch vermuten, dass letzteres einfach nicht sein ding war und er ziemlich wenig verständnis für libidinöse umtriebe seiner männer aufgebracht hat. andererseits sehr interessant, dass ausgerechnet der maskulinist baraka und ra so gut miteinander konnten… am ende steht carla bley ziemlich cool da, die davon ziemlich unbeeindruckt ihr ding durchgezogen hat (alice coltrane wäre ein anders geartetes beispiel – abbey lincoln wurde von den revolutionär gestimmten männlichen genossen ja auch fallen gelassen – oder an den herd geschickt, wenn man so will).
unangenehme geschichten, klar, aber ich mag da aus heutiger perspektive nicht die moralkeule schwingen, es waren komplizierte zeiten und umso interessanter ist es, das alles aufzudröseln. die konfliktlinie dixon und die black arts leute z.b., die ihm vorwarfen, nicht „männlich“ genug zu spielen, sich von den männern seiner band „unterwerfen“ zu lassen etc. unfassbar, wie homophob das interpretiert wurde – sehr unangenehm natürlich in den bildanalogien jüdische weiße -> effeminiert -> die schwarze virilität bewundernd. aber sowas lag durchaus im diskurs, kann man alles kulturwissenschaftlich nachweisen.

aber ich kann nicht umhin, so ein bild einfach großartig zu finden, wo sun ra, carla bley und cecil taylor einträglich nebeneinander sitzen…

und natürlich kann ich sowas wie naturalisierte geschlechterdifferenzen (so ist das halt auf einem schiff, wenn eine frau an bord kommt; zickenkriege…) nur als großen quatsch sehen, da mag ich nicht mehr nach dem körnchen wahrheit suchen, weil der blick ja schon beim suchen schielt.

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