Antwort auf: Sun Ra

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vorgarten

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1962/63 – verstreute aufnahmen aus dem choreographers workshop

der unablässige output des arkestras in dieser zeit ist selbst vom eigenen label nicht gut dokumentiert worden. erst WHEN SUN COMES OUT kam wieder zeitnah (1963) zu den aufnahmen auf el saturn records heraus. anderes material aus 1962 und 63 liegt verstreut vor, taucht jetzt erst auf, ist auch mir noch unbekannt.

vier stücke aus 1962 (wahrscheinlich) landeten auf einer obskuren veröffentlichung des britischen blast first labels: OUT THERE A MINUTE (1989). campbell und trent sorgen in diesem fall für eine überzeugende diskografische einordnung. das arkestra besteht nach wie vor aus ra, gilmore, allen, patrick, boykins und dem drummer c. scoby stroman. bei „somewhere in space“ hört man auch ein paar laute von art jenkins (natürlich als „space voice“ geführt). das stück ist ein langer vamp aus zwei akkorden und einem aufreizend minimalistischen pattern von stroman – mit dezent freien soli. ein bisschen arkestra standard, wenn man so sagen darf – gemächlich schreitend, hier und da ausbrechend, aber immer wieder in den fluss hineinfindend. „dark clouds with silver linings“ spiegelt die zweite seite der band wieder, midtempo-hardbop, ein schönes, leicht vertracktes thema, ein tolles tenorsolo von gilmore. standards und jazz im eigentlichen sinne sind hier noch sehr präsent. von reverb-effekten kein spur und ra ist die ganze zeit am akustischen klavier zu hören.

bei „journey onward“ ist al evans auf dem flügelhorn mit dabei. das düstere und viel freiere stück fängt mit paukenschlägen und gilmores freiem flug auf der bassklarinette an, die immer wieder einen orientalischen anstrich bekommt. dann übernehmen bongos (wahrscheinlich patrick) und andere percussions, und al evans spielt ein paar latin-phrasen, auf die ras klavier dankbar antwortet. aber irgendwie fasert das stück aus, ist mehr jam als konzentrierte einspielung. eigenartig dann das vierte stück, „out there a minute“, wo patricks bariton im hintergrund wegdämmert, ra immer wieder zu einem sehr abstrakten solo ansetzt, das thema sich in kreisen und wellen immer wieder in den schwanz beisst.

der nächste diskografische eintrag ist eine studioaufnahme, die das arkestra mit dem r&b-sänger little mack aufnahm und auf 7‘‘ presste ( er bezahlte, el saturn brachte sie heraus). die a-seite „tell her to come on home“ gibt es im netz, mir gefällt die trancehafte monotonie darin sehr gut, auch der sänger phrasiert toll, am ende gibt es ein bisschen freiheit für gilmore & ra, aber die funktionalität der musiker ist wichtiger. ra war sehr begeistert von little mack, der angeblich die tonarten seiner songs je nach akustik des raums verändern konnte.

zu dieser zeit entstanden dann auch wieder relativ konservative aufnahmen mit gitarrist calvin newborn, die 1975 auf einer seite des album WHAT’S NEW landeten.

das titelstück ist tatsächlich der standard von burke/haggart und wir bekommen pure alte gilmore magic, mit quietschendem mundstück und entschiedenem in-playing. al evans und newborn steuern eher langweilig soli bei (mit evans kann ich mich sowieso nicht so richtig anfreunden), tommy hunter hält unaufdringlich den swing. die beiden stücke „wanderlust“ (von newborn) und „jukin‘“ (von evans) kenne ich nicht, dafür aber die arkestra-version von „autumn in new york“, als reduzierte quartett-aufnahme (ra, gilmore, boykins, hunter), in der es ra komplett wegschwemmt. das ist ganz ergreifend und dabei sehr fantasievoll gespielt, mit großen und kleinen gesten im wechsel, rhythmisch völlig fluide, im unbedingten willen, die komposition für ihre schönheit abzufeiern. gilmore danach sehr smoky, als würde er die akkorde des stücks als wolkenbett benutzen, so leicht macht er sich darin breit. ganz wunderbar auch ras begleitung hier, die beiden spielen unglaublich toll zusammen, immer eigentlich. wozu auch gehört, dass das piano einfach auch mal schweigt und gilmore einfach sich mit boykins zurückzieht, dann accapella ausatmet, bevor ra (mit einem stride-moment) wieder völlig woanders einsetzt. ein ganz tolles stück.

danach entstehen vier zentrale alben aus der frühen new yorker zeit, die den weg des arkestras in die zunehmende abstraktion und den free jazz nachzeichnen, zu dessen erster welle es gehörte: THE INVISIBLE SHIELD, WHEN SUN COMES OUT, WHEN ANGELS SPEAK OF LOVE und COSMIC TONES FOR MENTAL THERAPY. darüber später. dazwischen gibt es noch eine studioaufnahme mit roz croney, der „queen of the limbo“, an der ra, gilmore, allen, patrick und boykins beteiligt waren: IT’S LIMBO TIME bzw. HOW LOW CAN YOU GO ?(für das label dauntless). ra hatte damals die einfachen themen von curly williams für die musiker notieren müssen und ausgearbeitet, die anderen arkestramitglieder durften ein bisschen mitspielen. das einzige stück, was ich daraus kenne, hat ein hübsches gilmore-solo auf der bassklarinette und befindet sich hier.

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