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erste aufnahmen aus dem choreographers workshop (1961)
die schnell organisierte studiosession war eine überraschende gelegenheit für das arkestra, in new york mit der arbeit anzufangen. das tatsächliche ankommen in der stadt, die organisation der band, arbeits- und probenmöglichkeiten waren deutlich schwierigere projekte. ein glück für sun ra war, dass bald schon ein neues festes mitglied zum arkestra dazustieß, das sich über viele jahrzehnte ziemlich unverzichtbar machen würde: tommy „bugs“ hunter, der nicht nur als drummer die band bereicherte, sondern auch gleich damit anfing, die proben des arkestras mit einem gebraucht gekauften ampex 601 rekorder aufzunehmen.
ra und hunter stießen schon 1947 in der band der r&b-sängerin lil green aufeinander. hunter war in chicago gut vernetzt und konnte ra jobs verschaffen. mit pat patrick zusammen bildeten sie 1951/52 das „space trio“, in dem ra zum ersten mal mit avantgardistischen kompositionen experimentierte. als sich das arkestra 1956 zu einer festen band zusammensetzte, war hunter allerdings schon in new york – u.a. weil er wegen einer frauengeschichte in chicago ziemlich bedrohlichen kontakt zur rotlichtszene bekam (ra fuhr ihn zum flughafen und brachte ihn so in sicherheit). schon in ihrer frühen gemeinsamen zeit brachte der pianist seinen drummer dazu, die proben aufzuzeichnen.
auch bei der probenraum-suche war hunter hilfreich. da er tanzensembles und sänger begleitete, hatte er u.a. zugang zum „choreographers‘ workshop“, einem haus mit mehreren übungsräumen in hell’s kitchen (414 W. 51st St., später, ab 1968, der ort des „cubiculo theatres“, einem wichtigen off-off-broadway-space und heimat der national shakespeare company), die das arkestra in der woche nach 21 uhr und am wochenende nutzen konnte. die meisten aufnahmen aus den ersten drei new yorker jahren entstehen hier. einiges schickte ra nach chicago zu alton abraham, der – meist sehr viel später – daraus alben zusammenstellte und auf el saturn records herausbrachte. das album mit den frühesten so entandenen aufnahmen war BAD AND BEAUTIFUL, es erschien 11 jahre später, 1972.
die band ist auf ein sextett geschrumpft: die drei saxophonisten gilmore, allen und patrick werden von ra, boykins und hunter begleitet und wechseln dabei gelegentlich zu einfachen percussioninstrumenten. allen spielt fast ausnahmslos flöte und hält sich ohnehin stark zurück. neben einige lyrischen baritonpassagen von patrick sind es vor allem der pianist und sein tenorsaxophonist, die den solo spot erhalten. hunter bekommt in der halligen kellerakustik des probenraums einen ziemlich transparenten sound aufs band, wenn er überhaupt etwas vernachlässigt, ist es sein eigenes drum kit. boykins ist jederzeit heraushörbar, und wenn die bläser pausieren, bekommt die rhythm section eine schöne, etwas buttrige präsenz, durch die gilmore und patrick beim wiedereinsatz scharf hindurchschneiden.
The first recordings was with just one microphone hanging in the center of everybody, but then I got enough money and I had three microphones. All those records were with three microphones mostly.
TP: You did a good job.
HUNTER: Well, you know how you’d place them was, the bass player and Sun Ra would be on one mike, you’d put an omnidirectional mike on the floor, and you’d have the bass player standing there, and you could adjust the volume between the two of them by lowering the mike or bringing it up closer to the piano. So it would take me a couple of minutes to do that, and then have a mike for the horns . . . All the horns had to stand around the mike, so he had them sitting around one mike. Then the other mike was for whoever was singing.
(hunter im interview mit ted panken.)
gesungen wird auf BAD AND BEAUTIFUL nicht. aber es gibt ein paar verrutschte show tunes, das titelstück aus dem 1952er hollywoodmelodram, „and this my beloved“ und „just in time“, wobei die ersteren wenig mehr als eine interessant arrangierte variation über das thema bieten (durch ras comping und allens schiefe flöte wirkt das allerdings sehr campy). „just in time“ ist ein schönes feature für gilmore, wohingegen ra die harmonien sehr deutlich nicht hinbekommt.
daneben gibt es ein paar sehr interessante aufnahmen, die ein anderes sound-interesse deutlich machen. „ankh“ (schon seit 1956 im arkestra-repertoire) wird ordentlich eingedüstert und leise glimmend durch patricks bariton gehaucht. es gibt einen sehr interessanten abstrakten blues („search light blues“), den boykins so hinreichend absichert, dass sich ra komplett aus der begleitung in ein schräges kommentieren verabschieden kann. und dann wiederum einen dezidiert traditionellen-blues (mit einem klassischen in-solo von patrick), in dem ra sogar zusätzlich zu boykins‘ walking bass linkshändige boogie-woogie-figuren beisteuert (außerdem ein großartiges solo, wo sich altes und neues komplett infrage stellen). „exotic two“ schließlich ist ein großer latin-operetten-auftritt des pianisten, ohne bläser, dafür mit viel percussion und einem drummer, der ums verrecken keinen latin-beat dazu spielen will.
der broadway ist in laufweite, in den eher schäbigeren kinos laufen die ersten hongkong-martial-arts-filme, das arkestra ist musikalisch noch unbekannt, im stadtbild allerdings schon auffällig – die musiker tragen ihre bühnenkleidung auf der straße, zumal es für das arkestra auch erst 1962 eine erste bühne geben wird. tommy hunter entdeckt durch zufall einen reverb-effekt in seiner aufzeichnungsapparatur, und das arkestra wird sich von show tunes und in-spiel immer weiter entfernen. aber darüber dann in den nächsten posts.
hier der „search light blues“:
und, weil es so schön ist, noch das hier:
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