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1956 – erste aufnahmen des arkestras
1956 wird das seit etwa zwei jahren existierende arkestra die hausband des von cadillac bob geführten chicagoer „birdland“ im keller des pershing hotels in der southside, das sich nach einspruch des new yorker birdlands in „budland“ umbenennen musste.
im budland teilt sich die in den zeitungen fast nie erwähnte hausband die bühne mit jazzgrößen wie dinah washington und al hibbler, aber auch obskuren musikern wie little miss cornshucks, einem drummer, der sich „el costello“ nennt, dem „mambo king“ juan soler, doo-wop-bands und bluesgitarristen. die stabilität sorgt dennoch dafür, dass das arkestra anfängt, regelmäßig in kleinen studios das täglich stundenlang geprobte eigene space-material aufzunehmen.
sun ras manager alton abraham, ein esoterisch interessierter freigeist wie er selbst, den er 1951 als vierzehnjährigen kennen gelernt hatte, gab die initiative zur gründung des eigenen labels „el saturn records“ nach der erfolgsgeschichte des afroamerikanischen labels veejay.
der diskografische output des arkestras im jahr 1956 ist groß – sessions im märz und november bilden das album SUPER-SONIC JAZZ auf el saturn, dazwischen ermöglicht der innovative manager tom wilson (der später zappa, simon & garfunkel und velvet underground produzierte), gerade auf der suche nach jazz-neuerern, aufnahmen für sein neues transition-label. JAZZ BY SUN RA VOL.1 wurde in einer einzigen session zusammengespielt, aus einer zweiten sollte VOL. 2 werden, doch da gab es das label schon nicht mehr und das material landete später auf mehreren alben, vor allem auf ANGELS AND DEMONS AT PLAY.
1956 entstand auch der film THE CRY OF JAZZ von ed bland (s. post #55), in dem man das arkestra mit ihrem material in aktion sehen kann.
das arkestra blieb während dieses jahres relativ stabil: art hoyle und victor young (tp), julian priester (tb), john gilmore (ts), pat patrick (bs und as), wilburn green (eb), robert barry (dm), der klassisch geschulte jim herndon (tymp, perc). zeitweise ist noch – ziemlich prominent – james scales (as) dabei. erst gegen ende des jahren kam es durch die abwanderung von julian priester zu bewegung in der band. in den letzten sessions des jahres besteht das arkestra aus hoyle, young, wechselnden posaunisten, patrick, gilmore, dem zweiten baritonisten charles davis, victor sproles (akustischer bass), william cochran (dm) und jim herndon – bevor schließlich auch art hoyle zu lionel hampton ging und lucious randolph für ihn kam (kurz danach james spaulding auf dem vakanten as-sitz).
(sun ra, richard evans, robert barry, john gilmore & pat patrick, 1956)
wenn man sich diesen ganzen output aus 1956 anhört, fällt zunächst erstmal die geschlossenheit und sicherheit des ganzen korpus auf. das ist kein freies experimentieren, nichts erscheint inhomogen, nie fallen einzelne ideen, sounds, arrangements aus dem gleichwohl originellen rahmen. man merkt, dass diese band mehrere stunden am tag geübt hat. die exotika (vor allem in der percussion angelegt) werden sehr dezent integriert, auch ras e-piano (erst 1955 angeschafft) fügt sich ein. das material ist boppig, mehrere blues-nummern sind weitaus konventioneller angelegt, als es die esoterischen titel der stücke erwarten lassen. die aufgabe von changes zugunsten von riffs (die dieser musik ja immer auch etwas vorwärts-schreitendes geben) fällt zwar auf, doch meistens stehen dem ausgefeilte bläserarrangements gegenüber, die den musikalischen raum eher aufmachen, als dass sie mit nach vorne ziehen. charakteristische stimmen sind neben gilmore (den ich tatsächlich immer toller finde, weil er harmonisch immer extrawege findet, ohne jemals angestrengt dabei zu wirken) eher die glänzende bop-trompete von art hoyle oder das noch boppigere altsax von james scales. so oder so: die wichtigste prämisse ist schon die show-geste, das tänzerische, die vorgestellten oder tatsächlich hand-claps, die darauf abzielen, hörer und zuschauer physisch an der musik zu beteiligen. hier ist weniger der hip shit zu finden, den alle immer bei sun ra suchen, die space sounds, der chorgesang, die dilettantisch-schrägen special effects. eher ein im detail reiches showprogramm eines swingenden klangkörpers, in dem vieles platz hat – auch so manche operetten-klavier-einlage des leaders (auch in der modernistischen variante auf z.b. „the future“), die dunklen farben von pauken und z.t. zwei baritonsaxophonen, aber auch die fantastischen gesangsnummern mit dem transgender-sänger billie hawkins oder später clyde williams. die eleganz in den arrangements geht nie verloren:
klar, da gibt es dann doch noch den „sun song“ aus der ersten transition-session. ein kesselpauken-groove, polyrhythmische schlagzeugbegleitung, abgesetze glocken-aufwärtsmotive, eine musical-hammond-orgel, plötzlich romantische klavierarpeggien, dann eine elegant schluchzende gedämpfte trompete. hier ist die umlaufbahn tatsächlich verlassen worden und die erdanziehungskraft aufgehoben. vorschau auf kommende attraktionen.
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