Re: Euer Lieblingsjahrzehnt

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bender-rodriguez

Registriert seit: 07.09.2005

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TokyoEye nur nicht über Geschmacksfragen.

Hat ja auch niemand verlangt…

Um das Bild zu vervollständigen: Es gab mehrere Progrock / Krautrock Bands in den 70ern, die elektronische Musikinstrumente verwendeten (Pink Floyd, Can etc). Der erste Song, der einen Moog-Synthi verwendete wurde sogar schon 1969 veröffentlicht (Gershon Kingsley). Die laß ich hier jetzt aber mal beiseite, da ich diese nicht direkt der elektronischen Musik an sich zu ordnen würde (Kraftwerk und Neu! ausgenommen).

Warum würdest Du diese Aufnahme (wie möglicherweise auch weitere ähnlich gelagerte elektronische Soundkreationen der – sagen wir mal – „prä-Kraftwerk-Ära“) nicht der elektronischen Musik zuordnen? Gerade die (avantgardistischen) Experimente und die Umsetzungen revolutionärer elektronischer Musikinstrumente in der E-Musik – vor deren Einführung in die Popmusik – macht die Geschichte der elektronischen Musik doch so spannend. Übrigens, hast Du schon einmal was von den „Sixties“-Bands White Noise und Silver Apples gehört?

In den 80ern sieht das schon anders aus. Da konnte sich jeder der wollte einen Synthesizer kaufen und damit spielen und Depeche Mode stellten sich an die Spitze der Bewegung. Und da gebe ich dir recht, eigentlich begann hier das „elektronische Zeitalter“, das ich meinte, da diese Musik sich erstmals dadurch auszeichnete, dass sie tanzbar war. Zum ersten mal wurden elektronische Songs bewusst für den (Poper-) Dancefloor produziert. Auch der Begriff „Techno“ entstand in den frühen 80ern.

Soweit richtig, wenn man „elektronisches Zeitalter“ mit der (mehr oder weniger breitenwirksamen) Akzeptanz des Einsatzes rein elektronischer Instrumente/Klänge innerhalb der Popmusik gleichsetzt (manche Zeitgenossen können und werden dies zwar nie akzeptieren, aber diese armen Gestalten müssen uns hier ja nicht interessieren…). Nun, ob sich Depeche Mode nun unbedingt an die Spitze einer/dieser Bewegung setzen wollten, müssen wir nicht detailliert ausdiskutieren. Gewisse Probleme habe ich mit Deiner Bezeichnung „Popper-Dancefloor“. Nicht unbedingt zwingend wahrheitsgetreu ist nämlich das Gleichnis „Popper = Synthpop“. Aber ich weiß im Prinzip, was Du meinst.

Außerdem kam es zu ersten Mischformen. Zum Beispiel: Punk + Elektro = NDW.

Auch nicht gerade zwingend notwendig für NDW – noch nicht einmal für die „wahre NDW“. Vielmehr sehe ich in der Addition Punk + Elektro die Summe EBM, mit der frühen Variante Minimalelektro (z.B. The Normal, Polyphonic Size, etc.), was allerdings diverse kreative Impulse an „NDW“-Acts wie DAF weitergab. Und eine Spielart der elektronischen Musik, nämlich Industrial war niemals wieder so bedeutend wie in ihrer kreativsten Phase, Anfang/Mitte der Achtziger Jahre.

Selbst Paul McCartney baute Synthis in ein paar Songs ein.

Was nun ich nicht unbedingt unter „elektronischer Musik“ einordnen würde – noch nicht einmal im weitesten Sinne…

Um auf das Thema zurückzukommen: In den 80ern waren die Möglichkeiten noch limitiert. Auch wenn der Synthi-Pop für immer als prägendes Merkmal dieses Jahrzehnt hängen geblieben ist, schätze ich doch eher die Vielfalt, die erst in den 90er Jahren entstehen konnte.

Eine gewisse Vielfalt entstand (u.a. oft im „Underground“, bzw. Indepentbereich) schon sehr viel früher, so dürfen die Kombinationen aus z.B. (Indie-)Rock und Dancefloor, schwarzer Musik und „teutonischer“ Elektronik, der bereits angesprochenen Liaison aus Punk und Sequenzerbeats, Industrialexperimente mit den verschiedensten Musikstilen (u.a. auch mit Klassik und Jazz) – und noch einigen Subsparten mehr, nicht unterschätzt werden, denn diese stilbildenden Kreuzungen ebneten erst den Weg für die von Dir angesprochene „Vielfalt“. Die ich, davon abgesehen, seinerzeit auch sehr begrüsste – so wie ich jedes weitere Fortschreiten im weiten Feld der elektronischen Musik nach wie vor mit großem Interesse verfolge.

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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad