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AlbertoDer Film „True Stories“ war ein mittelgroßes Ereignis in den Feuilletons. Ich finde ihn großartig. Dass es ihn in Deutschland nicht auf DVD gibt, wundert mich nicht. Man hat es ja noch nicht einmal fertiggebracht, das Opus Magnum der Talking Heads, „Stop Making Sense“, in Deutschland auf DVD zu veröffentlichen. (Die Import-DVD findet man aber im gut sortierten Fachhandel).
Das Album „True Stories“, das mir persönlich besser als „Little Creatures“ gefällt, kam meiner Ansicht nach deswegen nicht optimal an, weil es mit „Wild Wild Life“ eine griffige Hitsingle mit ambitioniertem Videoclip beinhaltete. Das war in der zweiten Hälfte der 80er für manche ein Grund, sich naserümpfend abzuwenden.
Ersteres kann ich bestätigen, letzteres sehe ich ähnlich. Mit LITTLE CREATURES kamen die TH im Mainstream an. Das wurde ihnen von Teilen der alten Anhängerschar etwas übelgenommen. Insbesondere deswegen, weil sie sich diesen Erfolg durch einen Verlust an Profil erkauften. So habe ich es wahrgenommen. Der darauf folgenden Platte ist man dann sowieso schon mit misstrauischen Vorurteilen begegnet, und eine „griffige Hitsingle“, deren Video auf MTV läuft, hat die TH aus subkultureller Sicht etwas suspekt gemacht. Dabei ist das Video eigentlich sehr witzig. Soweit ich mich erinnere, ist TRUE STORIES damals aber weitgehend schlicht ignoriert worden. Bis zu SPEAKING IN TONGUES galten die TH als eine Speerspitze innovativer Popmusik. Diesen Ruf haben sie mit LITTLE CREATURES verspielt. Sie haben damit ein anderes und zahlreicheres Publikum erreicht, aber das war nicht mehr „hip“.
Aus heutiger Sicht wirkt das lächerlich und ist auch kaum noch nachvollziehbar, aber damals kam einem das lebenswichtig vor. Das war so ähnlich wie mit der Neuen Deutschen Welle. Als Subkultur war das toll, vom späteren kommerzielles Massenphänomen wandte man sich naserümpfend ab.
Wenn man heute (im Netz) Kritiken von TRUE STORIES liest, lassen sich recht kontroverse Bewertungen ausmachen. Allmusic.com vergibt gerade mal ** 1/2 von fünf Sternen. Das ist nicht nur die schlechteste Wertung von allen TH-Alben, sondern so gut wie ein Totalverriss. Ansonsten finden sich zwar eine ganze Reihe positiver Kritiken, aber eben auch viele enttäuschte Hörer, die die ehemals so innovativen TH auf dieser Platte vermissen. Und dann wiederum gibt es die Hörer, die zu der Erkenntnis gekommen sind, dass TS eigentlich um einiges besser ist als ihr Ruf. Zu letzteren gehöre auch ich.
Gruß,
F.
Übrigens: Bin überrascht und erfreut von der regen Resonanz. Sehr schön!
Und noch was: Hallo Carrot, sehr bildhafte Beschreibung von PSYCHO KILLER. Respekt: Das ist eine ganz großartige Besprechung des Songs, die den Hörer das Stück noch mal ganz neu und bewusst hören lässt. Eine zufällige Parallele fällt mir ein: Nur ein Jahr vor PSYCHO KILLER kam der Film TAXI DRIVER ins Kino. Der Protagonist scheint mir fast ein Abbild des PSYCHO KILLERS zu sein. „Can’t sleep / bed’s on fire / don’t touch me / I’m a real life wire“.
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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.” (From the movie Sinners by Ryan Coogler)