Re: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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skraggy

Registriert seit: 08.01.2003

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one.be.lo

Ok, ich habe mich in einem anderen Forum mal ausführlich zu „Skyfall“ ausgelassen. Daher an dieser Stelle eine editierte Fassung des entsprechenden Beitrags.

Vorweg: Ich mag Skyfall eigentlich recht gerne. Stimmung, Set-Pieces und natürlich Craig sind klasse und stilvoll, wie schon lange nicht mehr. Ich habe den Film inzwischen zwei Mal gesehen und komme trotz meiner Sympathie für den Streifen aber aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus. Warum? Nun…

!!!MASSIVE SPOILERS AHEAD!!! WER DEN FILM NICHT KENNT UND IHN NOCH SEHEN MÖCHTE SOLLTE BIS ZUM ENDE DES BEITRAGS NICHT WEITERLESEN.

…die eigentliche Story ist mit die dämlichste, die mir seit langer Zeit in einem Action-Flick untergekommen ist. Also, da gibt es Silva, diesen ehemaligen Doppelnullagenten, der einst hohes Ansehen bei M genoss, sich von ihr verraten fühlt und nun Rache an dieser Mutterfigur üben will. So weit, so gut. Der von ihm ausgeheckte Plan zur Erreichung dieses Ziels ist aber, nun ja, selten dämlich.

Silva lässt eine Festplatte klauen, auf der sich die Namen aller NATO-Agenten befinden, die undercover eingesetzt werden. Mit der Veröffentlichung dieser Daten will er M so richtig eins reinwürgen, damit sie disziplinarisch in einem offiziellen Verfahren gemaßregelt wird. Damit M weiß, dass er hinter dem ganzen Plan steckt, sorgt er dafür, dass eine Spur zu ihm führt, sodass Bond diese verfolgen und ihn hochnehmen kann. Raffiniert, denn nach seiner Festnahme befindet er sich nun in den Händen des Geheimdienstes. Natürlich war ihm klar, dass er, nachdem das eigentliche Hauptquartier des Geheimdienstes durch sein Zutun in Schutt und Asche gelegt wurde, in genau dem unterirdischen Ausweichversteck, in genau der Zelle mit genau der Luke im Boden festgehalten werden wird. Weiter hat er dafür gesorgt, dass der Geheimdienst einen seiner verschlüsselten Laptops in die Hände bekommt, sodass der zuständige Q genau dann diesen Rechner an das Netzwerk des Geheimdienstes anstöpselt, wenn M auf dem Weg zu ihrem Verfahren ist. Clevererweise hat der Bösewicht dafür gesorgt, dass der ultraschlaue Q den Code für den Laptop nicht knacken kann, aber ein zufällig dabeistehender und anscheinend Kreuzworträtsel schätzender Bond schon. Was wäre passiert, wenn niemand dieses Rätsel pünktlich gelöst hätte? Also, bezüglich Ms Verhandlung perfekt getimed, wird der Laptop also wie vorgesehen geknackt, sodass ein extra auf eben diesem Laptop bereit gestellter Virus sein Werk verrichten kann. Natürlich war es dem Bösewicht klar, dass der Geheimdienst ohne weiteres einen fremden Laptop, der einem bekanntlich sehr fähigen Hacker gehört, ohne Sicherheitsmaßnahmen ins eigene Netzwerk integriert. Versteht sich. Ok, der Virus sorgt also dafür, dass alle Sicherheitstüren des Unterschlupfs geöffnet werden. Somit natürlich auch die der Zelle, in der unser Bösewicht sitzt. Tja, Vorhängeschlösser wären hier eine tolle Sache gewesen.

Endlich in Freiheit, macht sich unser Schurke schnell durch die Luke im Boden, von deren Existenz er wusste, davon in Richtung Verhandlung/Anhörung. Natürlich schließt er die Luke nicht, denn es gehört scheinbar zu seinem Plan, dass Ms jetziger Favorit, also Bond, ihn verfolgt. Nach einigem hin und her in der U-Bahn hat er Bond schließlich da, wo er ihn haben will. Mit planerischem Geschick hat der Schurke dafür gesorgt, dass Bond ihn genau in dem Moment stoppt, in dem dieser sich in einer durch eine vom Schurken ausgelösten Explosion freigewordenen Schusslinie einer heranrasenden U-Bahn befindet. Erst an diesem Punkt geht erstmals ein Plan des Bösewichts nicht auf: Bond überlebt.

Ok, weiter. Unser Schurke gelangt durch die Hilfe einiger perfekt positionierter Helfer letztlich in das Gebäude, in dem Ms Anhörung stattfindet. Endlich soll man also sehen, mit welch perfider Aktion der Erzschurke seinen beeindruckenden Plan krönen will. Also, was macht er? Wie will er seine Rache umsetzen? Ha! Er stürmt in schönster Hooligan-Manier mit zwei Kanonenfutter-Spackos im Schlepptau den Verhandlungsraum, ballert wild um sich, verfehlt dabei mit sicherer Hand jedes Ziel und muss fliehen, als Bond &. Co M retten und ebenfalls fliehen.

Spätestens an dieser Stelle sollte klar sein, dass die Story absoluter Rotz ist. Klar, die meisten Bonds davor – insbesondere die Schundwerke mit Moore – hatten ebenfalls desaströse Stories. Da gab es Geheimorganisationen, die in Japan von aller Öffentlichkeit unbemerkt ganze Vulkane aushölen und darin Raktemstartrampen bauen konnten, von denen sie sogar Raketen starteten, die andere Raketen im Weltraum schluckten. Da gab es größenwahnsinnige Milliardäre, die, von der Weltöffentlichkeit unbemerkt, gigantische Unterwasserstationen bauten, die so gar keinen Sinn hatten. Aber hey, sie waren da und sahen schick aus. Ja, all das war dämlich. Aber bei einer bereits dämlichen Prämisse kann ich einem Film weitere Dämlichkeiten nur schwer vorwerfen. Anders bei „Skyfall“. Der Streifen nimmt sich meist so richtig ernst und präsentiert sich in der Tradition der bisherigen Craig-Filme weiterhin als geerdeter Agententhriller mit „glaubhaften“ inhaltlichen Ausmaßen. Und genau da liegt der Hund begraben. Eben wegen der geerdeten Machart des Films und der ebensolchen Intention des Bösewichts, wiegt die Dämlichkeit des Plans zur Vernichtung Ms umso schwerer. Wer denkt sich einen solchen Plan aus, klopft sich danach auf die Schulter und denkt sich: „Cool, klappt bestimmt.“? Ganz bestimmt nicht ein Superhirn, wie Silva eines soll. Wäre der nämlich ach so schlau, dann würde er einfach das tun, was Bond in Skyfall auch fertigbringt: Ms Adresse raus finden, sich in ihr Wohnzimmer setzen und darauf warten, dass sie heim kommt. Aber nö, er schmiedet lieber bescheuerte Pläne für ne dämliche Ballerei.

Aber gut, Bond macht es ja nicht besser. Sein toller Plan zum Ende besteht ja auch nur darin, mit ner klapprigen Alten und einer Pistole in die Ödnis zu fahren und darauf zu warten, dass das offensichtlich sehr vermögende kriminelle Supehirn mit seiner Armada anrückt. DER klapprige Alte mit seiner Schrotflinte war ja nur ein Goodie.

Echt jetzt, wie Eingangs bereits erwähnt sind Stil und Atmosphäre bei Skyfall top. Über den Rest deckt man besser den Mantel des Schweigens. An die Fähigkeit, beim Sehen die eigene Intelligenz abzuschalten, stellt der Film herbere Ansprüche, als so viele No-Brainer der 80er.

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